Astronaut Edward White - First America Spacewalk - Quelle: WikiCommonsImitate. Mit 15 unternahm ich meine ersten eigenen Reisen und konnte dazu die große schweinslederne Reisetasche meiner Eltern nutzen. Die war praktisch. Ich stopfte als erstes meinen Schlafsack hinein, und dann war immer noch Platz für eine zweite Hose, ein paar Hemden, Socken, Unterhosen und was ich so mitnahm. Das seitliche Fach war der Ort für Zahnbürste, Duschzeugs, Tabakvorräte und weiteres Kleinzeugs. An den Kopfenden presste ich noch das eine oder andere Buch hinein. Bei längeren Reisen war die Tasche so gestopft, dass das Ganze nur noch mit einem Riemen zusammengehalten werden konnte. Und bemerkenswert war auch, dass ich von Büchern, die ich regelmäßig mitnahm, so gut wie keins wirklich las. Auf Reisen ist eben alles andere Interessant: Landschaften, Leute, Museen – und selten Bücher. Jedenfalls damals. Viele Jahre später riss einer der Henkel dieser Tasche aus und ich brachte sie zu einem Taschenmacher zur Reparatur. Sehen Sie mal, echtes Leder, sagte ich, da lohnt sich doch bestimmt eine Reparatur. - Da muss ich sie leider enttäuschen, sagte der Taschenmacher nach einem kurzen Blick. Das hier ist eines der ersten Lederimitate, die auf den Markt kamen. Die wurden damals so dick gearbeitet. Damit verlor ich das Interesse an diesem vermeintlich wertvollen Familienerbstück, und die Tasche verschwand bald auf dem Müll.

Walter Leistikow - Abendstimmung am Schlachtensee 1895 - Quelle: WikiCommonsReisefieber. Jahre später und vor allem mit dem Aufkommen der Billigflieger nahm ich meine exzessive Reisetätigkeit wieder auf und organisierte mir das eine oder andere Xtend-Adventure. Weil ein Kurztrip nach Barcelona, Istanbul oder Brüssel kaum aufwändiger als ein Ausflug zum Schlachtensee ist, um den herum ich früher gelegentlich mit meinen Großeltern spazierte. Bald begriff ich, dass die Flugpreise nur dann wirklich preisgünstig sind, wenn ich kein zusätzliches Gepäck bei mir hatte. Also organisierte ich mir einen neuen Rucksack, der genau den Vorgaben der Fluggesellschaften für die maximalen Maße vom Handgepäck entsprach. Das hatte noch andere Vorteile, einen erheblichen Gewinn an Geschwindigkeit. Während die anderen Passagiere noch am Laufband auf ihre Gepäckstücke warteten, saß ich schon längst im Zug oder Bus in die Stadt. Allerdings musste ich, um diese Effizienz zu erreichen, extrem umlernen. Was ist wirklich wichtig auf einer Reise? Genau genommen ist weltweit alles nahezu überall erhältlich, was Mensch brauchen könnte – von T-Shirt und Nagelknipser über Badekappe und Kopfschmerztablette bis hin zu Fotoapparat und Unterhose. Seit dieser Erkenntnis benutze ich den kleinen Rucksack auch für lange Reisen, selbst wenn ich vor der Abreise immer noch regelmäßig nervös bin, etwas wichtiges vergessen zu haben. Aber das, worauf es ankommt, passt ohnehin in keinen Rucksack: Offenheit gegenüber Land und Leuten, gegenüber anderen Kulturen, Sitten und Bräuchen

Milanowek, 28.02.2012

Stefan Schneider

Fotonachweis: http://commons.wikimedia.org/wiki/File:Astronaut_Edward_White_first_American_spacewalk_Gemini_4.jpg

und http://de.wikipedia.org/w/index.php?title=Datei:Walter_Leistikow_-_Abendstimmung_am_Schlachtensee_(1895)_2.jpg

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