Aus dem Tagebuch eines Bettlers
Ich klingelte. Ich bettelte um Brot.
Um alte Sachen.
Ich beschrieb anschaulich die Not.
Ich kann so eine jämmerliche Miene machen.
Meine Familie sei teils hungrig, teils tot.
Nur ein kleines, hartes, verschimmeltes Restchen Brot,
womit ich eigentlich Geld meinte.
Der Herr verneinte.
Ich versuchte diverse Gebärden.
Ich kann so urplötzlich ganz mager werden.
Ich taumelte krank.
Ich - stank.
Da wurde ich gepackt.
Fünf Minuten war ich nackt.
In einer Wanne im Bad,
bei dreizig Grad.
Ich weinte. - Ich wußte:
Hier half kein Beteuern.
Man fing an, meine Kruste
herunterzuscheuern.
Dieser Herr war ein Schelm.
Ich wurde auf die Straße gestoßen.
Ich fand mich in schwarzen Hosen,
Lackschuhen, Frack und Tropenhelm.
Ich fand kein Geld. - Mir wurde bang,
ich fand nur ein Trambahn-Abonnement.
Und ich ging auf die Reise,
fuhr mit der Sechzehn stundenlang,
immer im Kreise.
Was halfen die noblen Sachen.
Ich bettelte. Probeweise.
Ich kann so eine kummervolle Miene machen.
Aber die Leute begannen zu lachen
und die Haltestelle zu verpassen.
Ich sann auf einen Schlager.
Ich wurde urplötzlich ganz mager.
Ich wurde gewaltsam aus der Trambahn
heruntergelassen.
Da waren die Anlagen und Gassen
auf einmal ganz traurig und fremd.
Als ich aus dem Pfandhause kam,
Trug ich nur noch Hose, barfuß und Hemd.
Ich mußte mir einen Anzug leihen.
Ich ging mit der Gräfin Mabelle,
die eigentlich eine Büffetmammsell
ist und gesucht wird, in ein Hotel.
Wir speisten: Hirschbraten mit Knickebein.
Wir sangen zu zwei'n:
"Wer hat uns getraut-..."
Und zuletzt, ganz laut:
"Wohlauf noch getrunken den funkelden Wein..."
Nacht ohne Dach
Nacht mit Lichtern.
-Café-Garten am Rande der Stadt -
Wo jeder Gegenstand die Seele von Dichtern
oder versöhnende Hilflosigkeit hat.
Und Menschen kommen und gehen.
Und es lügt ein Getu und Getön.
Aber Tischtücherzipfel wehen,
Und das ist schön!
Und dann ist auch schön: ein Paar
verliebter Jugend. -
Nacht ohne Dach...
Erinnerung, rufe nicht wach,
wie schlimm eine Nacht ohne Dach
einst für mich war.
Nachtrag: Ich glaube, ich mag Ringelnatz nicht. Warum, weiss ich noch nicht so genau. Auf jeden Fall hat aber jemand herausgefunden, das auch Ringelnatz etwas geschrieben hat zum Thema Penner bzw. Leben auf der Straße. Diese Texte haben den Weg auf meinen Computer gefunden und nach langen Jahren geduldigen Ausharrens veröffentliche ich sie hier an dieser Stelle.
Berlin, 20.08.2014
Stefan Schneider
Man ahnt...,
daß es nicht Schicksal ist, wenn Wohnungen fehlen, Mieten überhöht sind, Firmen pleite machen, Fabriken schließen, Menschen frei setzen.
Man weiß...,
daß die hausgemachte Lebenskrise gemeistert worden wäre, wenn zum Verlust der Frau, zur Trennung, Scheidung, nicht Verlust der Arbeit (den Schmerz im Alkohol ertränkt), Verlust der Wohnung (der Vermieter wollte halt nicht länger warten) hinzugekommen wäre.
Man erfährt...,
daß das Gerede (bisweilen selbst geglaubt und nachgefaselt) daß, wer arbeiten will, auch Arbeit findet, der pure Hohn ahnungsvoller Menschenverächter ist.
Man kennt...,
das Männerwohnheim, das zwar Obdach bietet, warmes Essen, aber die Chance auf den Arbeitsplatz unter Null versenkt (Chef, sehen Sie sich doch mal diese Adresse an) und daß auch nicht Heim im Sinne von daheim ist.
Man spürt...,
täglich den Zynismus der Bürokratie, den Egalismus der Mitmenschen, den verschämten Blick zur Seite jener braven Bürger, die das Gewissen quält, im Angesicht des Elends und der Not, mitten unter uns, in einem reichen Land, das im Überfluß Menschen auf der Straße hält.
Man ahnt...,
daß von der Politk, der jetzigen Regierung, den Mächtigen, Abhilfe nicht zu erwarten ist, solange nicht die Not der Schwachen die Macht der Starken untergräbt, das Elend der Ausgestoßenen, den Extremisten zuviel Zulauf bringt, die Wut der hochprozentig Betäubten zu viele Wahlprozente kostetf, die Verachtung der Schwachen diese zu starken Organisationen eint.
Man ahnt...,
daß man das Schicksal in die eigenen Hände nehmen muß.
Ein Text von den SchülerInnen des Bischöflichen Cusanus-Gymnasiums Koblenz, erstmalig veröffentlicht in: "Platte" Die Obdachlosen-Zeitung Rheinland-Pfalz. 3. Jahrgang. Ausgabe 6. Rheinland-Pfalz. Bingen/ Rhein 1995, S. 9.
[Nachbemerkung: Dieser Text hat mich berührt, als ich ihn im Jahr 1995 erstmalig gelesen hatte. Ich hatte ihn aufgehoben und gehofft, dass ich ihn eines Tages verwenden könnte. Nun räume ich im Jahr 2014 meinen Computer auf und veröffentliche ihn an dieser Stelle. Berlin, 18.08.2014, Stefan Schneider]
Heidelberg: Ein Jahr geht zu Ende....
und wieder werden Bilanzen gezogen, wie immer um diese Jahreszeit. Ob in der Politik, der Wirtschaft, in Neubauprogrammen oder Altbausanierungen, beim Arbeitsamt, bei den Ärzten und Kassen, bei den Banken und Handelsketten.
Alle ziehen sie Billanz. Was wurde erreicht? Was verfehlt? Was sagt die Statistik? Was sagen die Prognosen? Was bringt das nächste Jahr? In diesem Jahr, dem Millenniumsjahr, mit ganz grossen Erwartungen und Befürchtungen und von besonderer Wichtigkeit durchleuchtet.
Hat man aus Fehlern gelernt? Wird alles so schön bleiben wie es war?
Ja, alle ziehen sie Billanz. Auch die Obdachlosen. Billanz über das Leben, das sie führen, freiwillig oder unfreiwillig, sie gehört einfach dazu.
Wie sieht eigentlich das Leben im Laufe eines Jahres bei einem Obdachlosen aus?
Es ist ein harter Überlebenskampf Tag für Tag und dennoch kann ein Tag im Leben eines "Penners" so lang sein wie das Jahr eines Generaldirektors.
Für ein Großteil der Gesellschaft werden sie "Schmarotzer", "Störenfriede", "Penner" oder auch, sehr "mitfühlig" "arme Schweine" genannt.
Aber ist es nicht auch genau diese Gesellschaft, der diesen "Menschenkreis" erst produziert?
Die typische Situation im Alltag eines Obdachlosen: er sitzt in der Fußgängerzone und bettelt. Mensch, in Brot und Lohn und Wohnung kommt vorbei und meint, "geh arbeiten, kannste dir dein Geld auch verdienen".
Das geht nicht nur Obdachlosen in Deutschland so. So einfach läßt sich ein Urteil in ein paar Worte packen.
Und wer kennt ihn nicht, den Teufelskreislauf, keine Wohnung keine Arbeit, keine Arbeit keine Wohnung, hast du beides, hast du auch Geld, die Eintrittskarte zur Akzeptanz und Menschenwürde in der modernen Gesellschaft. Dabei sucht doch jeder Alkoholiker, Junkie oder was auch immer auf der Strasse das gleiche was alle suchen, ein bißchen Wärme und Geborgenheit, Liebe und zumindest einen Hauch von Respekt vor der eigenen Persönlichkeit.
Also ziehen wir Billanz: schnorren geht, manchmal auch klauen, die Zeiten sind für niemanden rosiger geworden. Die müde Mark im Schnorrtopf ist besser als nichts. Auch im Jahr 2000 wird es nicht anders sein, noch leuchten keine neuen Einsichten in das neue Jahrtausend hinein: es bleibt was war, die Armen werden immer ärmer und die Reichen immer reicher.
Verkäufer Henry Thormann, Heidelberg
Liebe Leute!
Ersteinmal möchte ich alle, die dies Büchlein in die Hand nehmen, warnen. Und zwar deshalb, weil das Leben auf der Straße gar nicht so romantisch, fröhlich und lustig ist, wie es in meinen Geschichten erscheinen mag. Es ist aber Gott sei Dank so, daß sich der Mensch nach längerer Zeit nur an die guten und komischen Dinge erinnern kann und will und die weniger guten und schlechten Erlebnisse vergißt oder verdrängt. Deshalb sind meine Geschichten vorwiegend lustig und komisch.
Manche davon sind auch rührend und ich erinnere mich gerne daran, aber wie gesagt, es ist auf der Straße nicht immer so, und wenn einer nicht dazu gezwungen wird, sollte er auch von diesem traurigen und gefährlichen Leben Abstand nehmen.
Ich selbst war fast vierzehn Jahre als "Berber" unterwegs. Ich weiß, daß viele Menschen irgendwann mal gerne ausbrechen und alles hinwerfen würden und dann den Menschen, der im Sommer im Park sitzen kann, beneiden, während man selbst zur Arbeit gehen muß.
Doch bedenkt bitte, daß dieser Mensch auch im Winter auf der Bank im Park sitzen muß, wenn Ihr vor dem Christbaum in einer warmen Stube sitzen könnt. Dann wird er bestimmt nicht mehr beneidet, sondern, wenn er Glück hat, vielleicht mal bedauert.
Also glaubt bitte nicht, daß dieses Leben auf der Straße eine andere Variante von Abenteuerurlaub wäre.
Bleibt lieber zu Hause in den geregelten Verhältnissen, die zwar oft auf die Nerven gehen, aber doch unter dem Strich von Vorteil sind.
Nun wünsche ich Euch viel Spaß beim Lesen und möchte noch darauf hinweisen, daß diese Geschichten alle der Wahrheit entsprechen, und dadurch auch zum †berlegen und Nachdenken anregen sollen. Vielleicht könnt Ihr ja dann irgendwann mal an einem Berber, Penner oder Bettler und wie man sie noch nennen will, vorbeigehen, ohne ihn schief anzuglotzen und vielleicht werdet Ihr es auch schaffen, einmal einen von diesen Menschen anzusprechen.
Denn ich persönlich mußte die Erfahrung machen, daß es mir oft lieber war, wenn sich einer mit mir unterhalten hat, als daß er mir irgend etwas gegeben hätte. Zuhören kann oft ein wunderbares Geschenk sein, das wir in unserer hektischen Zeit viel zu sehr unterschätzen.
Also dann viel Spaß und Tschüß
Euer Dieter
Franz-Josef, König von Bayern
Bei dieser ersten Geschichte möchte ich darauf aufmerksam machen, daß ich bewußt keine Namen nennen werde, da diese für die Handlungen unwichtig sind, sich aber betroffene Personen sicher wiedererkennen werden.
Gerade war ich mal wieder im hohen Norden, genauer gesagt in Ostfriesland. Ich war zu dieser Zeit zwar schon einige Winter auf der Straße, doch wer Norddeutschland kennt, wird mir bestimmt Recht geben, daß Kälte in den Bergen etwas angenehmer ist als hier oben, wenn dazu noch eine steife Brise bläst und man meint, die Ohren fallen einem ab, wenn man dagegen kommt.
Ich hatte diese Nacht im Freien im Schlafsack geschlafen und war so ungefähr sechs Kilometer hinter der letzten Ortschaft, als ich mich entschloß, Auto-Stop zu machen. Das ist nun aber leichter gesagt, als getan, da es in Norddeutschland gewissermaßen zwei Sorten von Straßen gibt. Die eine ist die Schnellstraße, an der man innerhalb einer Stunde von vier- bis fünfhundert Autos überholt wird und die andere ist die gute alte Landstraße auf der man denkt, es wäre autofreier Sonntag, alles in allem also nicht gerade reisefreundlich.
Doch Gott sei's gepriesen und gedankt, nach etwa zwei Stunden, ich spürte meinen Daumen kaum noch, hielt ein Daimler. Als sich der freundliche Fahrer erkundigte, wo ich denn hinwollte, meinte ich einfach geradeaus, soweit er mich mitnehmen könnte. Ich war nämlich einfach froh, in einem beheizten Auto zu sitzen. Wie immer, begann nun die übliche Fragerei, wo her ich in dieser Kälte komme und wo es hingeht.
Da ich mir bei solchen Gelegenheiten schon lange abgewöhnt habe, den Leuten etwas vorzuschwindeln, sagte ich ihm ganz offen, daß ich auf der Straße bin, also ohne festen Wohnsitz und ohne Arbeit. Als ein Münchner im Norden konnte ich natürlich meinen Dialekt und meine Herkunft aus Bayern nicht verheimlichen. Das merkte auch dieser Mercedes-Fahrer und sagte, da habe ich mir ja einen richtigen Strauß-Fan eingeladen. Das wollte ich ja nun nicht gerade so ohne weiteres auf mir sitzen lassen, schaute mich ein bißchen frech im Auto um und meinte, daß eigentlich solche Luxus Schlitten-Fahrer die guten alten Strauß-Fans seien.
Nun wollte natürlich er wieder wissen, wie ich auf diese These kommen würde. Da erklärte ich ihm, daß man, wenn man so ein Auto fahren würde Geld haben müßte und wer Geld hat, meistens CDU oder CSU wählen würde und dadurch auch Strauß unterstützen müßte. Daraufhin meinte er nur, daß dies ja äußerst interessant sei.
Durch diese Diskussion verging die Zeit natürlich wie im Fluge und mein Fahrer machte mich bald darauf aufmerksam, daß er in der nächsten Ortschaft wohnen würde und ich an der nächsten Ecke aussteigen müßte.
Da ich ja schon am Anfang sagte, daß ich auf der Straße wäre, machte es mir auch gar nichts aus, ihn zu fragen, ob diese Ortschaft einen Pfarrer oder Pastor hätte. Da er mir das bestätigte, hakte ich gleich noch nach, wie denn der Pastor eingestellt wäre und ob er finanziell für solche Leute wie mich was übrig hätte. Das konnte er mir nicht sagen, aber die Menschen im Dorf hätten ihn ganz gerne. Das reichte mir auch schon und ich bedankte mich für's mitnehmen.
Nun ging es also los auf die Suche nach dem Pfarrhaus. Leider hatte ich vergessen, den Herrn zu fragen, wo das denn sei. Das ist auch so eine Sache hier im Norden. In Bayern ist immer da, wo ein Kirchturm steht, gleich daneben das Pfarrhaus, hier aber haben die Pastoren ihre eigenen Häuser, die man nicht so leicht finden kann und auch des öfteren weit weg von der Kirche. Na gut, man hat ja einen Mund zu fragen und so kam ich nach fast einer Stunde doch noch dorthin.
Als ich geläutet hatte, kam mir zuerst ein riesiger Boxer entgegen und dann eine junge Frau, die mich nach meinen Wünschen fragte. Ich rasselte also damals noch unerfahren, meinen eingeübten Spruch runter, alles was man so sagt, arbeitslos, wohnungslos undsoweiter. Auf die Frage, ob denn der Pastor zu Hause wäre, bat sie mich in den Flur und einen Augenblick warten. Nach einigen Minuten ging hinter mir eine Türe auf, und eine mir nicht unbekannte Stimme fragte: Ja bitte?
Ich drehte mich also um und Oh Schreck! Zuerst wurde ich blaß, um dann feuerrot anzulaufen, der Pastor, der da vor mir stand, war mein Mercedes-Fahrer. Als ich wieder reden konnte, habe ich mich entschuldigt und wollte nichts weiter als schnell wieder raus aus dem Haus.
Doch es kam ganz anders. Der Pastor führte mich in die Küche und sagte daß es ganz gut gewesen sei, schon gewußt zu haben daß ich kommen würde, so hätte doch seine Frau schon etwas zum Essen für mich herrichten können.
Als sich diese peinliche Situation etwas gelegt hatte, kamen wir auch wieder ins Gespräch und wir haben uns noch sehr gut unterhalten und uns beide über das Ganze amüsiert.
Am späten Nachmittag dann mußte ich mich verabschieden und ich merkte richtig, daß es dem Pastor und auch seiner Frau wirklich leidtat, mich bei dieser Kälte wieder fortzuschicken. Da konnten die beiden aber nun wirklich nichts machen, denn auch ich habe gesehen, daß bei dieser Familie mit drei Kindern kein Platz mehr war.
Beim Abschied kam mir dieser Pastor noch hinterher und sagte mir, als er mir noch etwas in die Tasche steckte, daß der Pastor in diesem Ort auch finanziell für solche Leute wie mich ganz gut drauf sei. Er sagte mir aber auch, daß dies nicht immer der Fall sei und er schon einige wieder fortgeschickt hätte, weil sie ihm zu unverschämt gewesen sind.
Da ich das schon des öfteren gehört habe, möchte ich hiermit auch eine große Bitte loswerden.
Liebe Leidgenossen, auch wenn es mal nicht nach euren Wünschen laufen sollte, bleibt immer anständig und freundlich, das bringt einen weiter und ihr macht gute Stellen, die es ja nicht so häufig gibt, nicht für andere, die nach euch kommen, kaputt.
Ich wurde von diesem Pastor auch schon wieder mal eingeladen und jedes Mal, wenn wir uns treffen, müssen wir beide herzlich über den Strauß-Fan lachen.
Es gibt keine Arbeitslosen - nur Faule
An einem Frühsommertag war ich gerade in Hof auf dem Weg an der Grenze entlang, um wieder nach München und Umgebung zu gelangen.
Ich hatte in Hof bei dem dortigen Roten Kreuz gerade einige gute Kleider ergattern können, die aber jetzt beim Wandern in meinem Rucksack ganz schön drückten und immer schwerer wurden. Dazu kam auch noch, daß es Sommer wurde und der Planet ordentlich brannte. Ich ging dann auch in einen Laden und holte mir drei Flaschen Bier und beschloß, heute nicht mehr zu Fuß weiterzuwandern, sondern mein Glück zu versuchen und einen Wagen anzuhalten, der mich ein Stück mitnehmen würde.
Da ich bei dem Versuch Auto-Stop zu machen, immer an der Straße entlang weitermarschierte, war ich dann auch bis um die Mittagszeit schon so ungefähr zwanzig Kilometer hinter Hof in südlicher Richtung. Es ist manchmal nicht zu fassen, aber als ich das Trampen aufgab, also gerade den Daumen nicht ausstreckte und mir eine von den gekauften Bierflaschen aufgemacht hatte bremste ein Mercedes-Fahrer und winkte mich zu sich ans Auto. Das fand ich nun aber gar nicht gut, denn normalerweise will ich beim Trampen einen anständigen Eindruck machen, aber gerade so, mit einer Bierflasche in der Hand, war das wohl nicht so ganz das richtige.
Da aber der Autofahrer dies genau gesehen haben mußte und trotzdem bremste, ging ich also auf ihn zu. Der Fahrer meinte dann, was los wäre und ob er mich ein Stück mitnehmen sollte. Ich sagte ja gerne, deutete aber verlegen auf mein Bier. Das machte aber anscheinend nichts. denn der Herr im Auto meinte, ich solle kein solches Theater machen, es wäre schließlich Sommer und jeder hätte mal Durst. Ich stieg also ein und wir fuhren los.
Auf die Frage hin, ob ich Urlauber sei, sagte ich ihm die Wahrheit, also, daß ich auf der Wanderschaft wäre, ohne Arbeit und ohne festen Wohnsitz. Als ich dann in unserem weiteren Gespräch erklärte, daß ich Koch und Konditor bin, kam dieser Mercedesfahrer mit seiner Meinung, daß es für ihn persönlich in Deutschland keine Arbeitslosen geben würde, sondern nur Leute, die zu faul wären zu arbeiten. Da ich nun aber froh war, daß ich ein Stück mitfahren konnte und den Herrn nicht verärgern wollte, ließ ich ihn bei seiner hirnrissigen Meinung und erwiderte dazu gar nichts.
Als wir in der nächsten Ortschaft an einer Telefonzelle vorbeikamen, bremste der Herr sofort ab, sprang aus dem Auto und ging ohne etwas zu sagen telefonieren. Kurz darauf kam er zurück und meinte nur zu meiner †berraschung, daß ich einen guten Geschmack hätte und deutete dabei auf meine jetzt leere Flasche Bier. Da ich seinen Gedankengängen nicht so schnell folgen konnte, gab er mir eine Visitenkarte und sagte, ich solle doch die Marke von dem Bier und seinen Namen vergleichen. Das tat ich dann und erfuhr so, daß ich im Auto von Herrn Stelzer von Stelzer-Bräu saß.
Das war ja nun schon eine Sache und ich kam mir auch ganz stolz vor, einen leibhaftigen Brauereibesitzer kennengelernt zu haben. Die †berraschung aber sollte erst noch kommen, denn als er nun telefoniert hatte und wieder im Auto saß, fuhr der Herr nicht weiter, sondern wendete und fuhr, ohne mich weiter zu fragen, wieder in Richtung Hof.
Als ich nun die ganze Strecke, die ich zuvor mühsam zu Fuß zurückgelegt hatte, in der verkehrten Richtung, am Autofenster vobeiflitzen sah, erkundigte ich mich doch etwas fassungslos nach seinem Vorhaben.
Nun, meinte der gute Herr zu mir, weißt du, ich habe vier Restaurants, die ich verpachtet habe und wie es der Zufall will, ist einem Pächter gerade der Koch fortgelaufen und den hätte er gerade angerufen, daß er mit mir vorbeikommen würde. Ich solle mir das alles in Ruhe ansehen und wenn ich Lust hätte. könnte ich sofort anfangen. Dieses Lokal wäre übrigens sein bestes Stück und ich würde bestimmt zufrieden sein. Ein Zimmer wäre auch schon vorhanden, es stände mir also nichts mehr im Wege, um neu anzufangen.
Jetzt war ich aber schon ein bißchen geschockt und meinte, ich könnte mich doch so, wie ich im Moment aussehen würde, nicht bei einer neuen Stelle vorstellen. Einziger Kommentar von diesem Fahrer war nur, das ist doch alles Quatsch. Wir konnten uns dann auch nicht weiter unterhalten denn wir waren am Ziel.
Da mir das Ganze doch sehr peinlich war, stellte mich der Brauereibesitzer selbst den Wirtsleuten vor und erklärte ihnen auch, wie er mich auf der Straße aufgelesen hätte und ich ihm gleich sympathisch war, da ich eine Flasche Bier aus seiner Brauerei in der Hand hielt.
Dieser Herr verabschiedete sich auch sogleich, und ich stand also da mit einem riesigen Rucksack, unrasiert und einfach, halt so, wie man nun nach einigen Wochen auf der Straße aussieht. Das aber machte meiner neuen Chefin anscheinend überhaupt nichts aus, denn sie meinte sofort nach einigen hilflosen Erklärungen von mir, sie würde mir jetzt erst einmal mein neues Zimmer zeigen und wenn ich mich ein bißchen ausgeruht hätte, sähe das alles schon ganz anders aus.
Am nächsten Morgen hatte dieses Restaurant geschlossen und ich fing meine neue Arbeitsstelle gleich mit einem freien Tag an. Als ich mittags zum Essen gerufen wurde, schlug die Wirtin vor, da ich nicht viel dabei hätte würde es ihr eine Freude sein, mit mir einkaufen zu fahren, um so alles Nötige für die Arbeit und auch Privat zu besorgen. Ich kam aus dem Staunen gar nicht mehr raus, denn als ich sie auf meine weniger guten finanziellen Verhältnisse aufmerksam machte, meinte sie nur, das wäre schon in Ordnung und ich solle mir deswegen keine Sorgen machen.
Es war einfach wie im Märchen, denn nach einigen Tagen kam der Chef, mit dem ich schon am zweiten Tag per Du war und stellte mir einen nagelneuen, noch verpackten Farbfernseher ins Zimmer. Er sagte nur, daß es mir in den freien Stunden ohne Fernseher doch sonst zu langweilig wäre.
Da ich aber sehr lange am Abend arbeiten mußte und eigentlich gar keine Gelegenheit zum Fernsehen hatte, bedankte ich mich zwar, sah aber diese Investition für unnötig an und sagte ihm das dann auch. Kein Problem, sagte mein Chef und fuhr nochmals in die Stadt, um bald darauf mit einem Videogerät zurückzukommen, das er mir anschloß und mir erklärte, daß ich nun alle Filme aufnehmen und sie mir anschauen könne, wenn ich Zeit und Lust hatte.
Diese ganzen Sachen mit den Geschenken wollte ich nur nebenbei erwähnen, so daß wenigstens ein kleines bißchen klar wird, was für ein tolles familiäres Verhältnis ich schon nach kurzer Zeit bei diesen wunderbaren Leuten erfahren durfte.
Andererseits muß ich auch ohne falschen Stolz sagen, daß ich innerhalb von drei Monaten die Anzahl der Essen verdreifacht, also auch den Umsatz dieses Lokals um das Dreifache gesteigert habe, und dies mir selbstverständlich auch von meinen beiden Chefs gedankt wurde.
Ich bin dann über ein Jahr bei diesen Leuten geblieben, und ich hätte das auch als eine Lebensstellung ansehen können, doch wie schon so oft, wurde bei mir wieder einmal das Sprichwort wahr, das da lautet, wenn's dem Esel zu gut geht, geht er aufs Eis!
Da ich ja für Essen und Trinken und für mein Zimmer nichts bezahlen mußte und auch ein wenig Freizeit hatte, konnte ich nach einem Jahr über ein ansehnliches Sparkonto verfügen und da es auch wieder Sommer war machte ich, wie man so sagt: Die Fliege.
Das aber bereue ich heute noch und mache mir auch immer noch Vorwürfe.
Ein Pfarrer mit Biß und Witz
An einem Montagmorgen, das Wochenende war mal wieder sehr traurig, da, wie bestimmt alle wissen, der Wochenendsatz nie reicht, hatte ich einen riesigen Durscht. Es war Hochsommer und schon morgens um neun Uhr brannte die Sonne wie verrückt auf das herrliche Allgäu.
Ich mußte also irgendwie an etwas Geld kommen.
Das †bliche vom Amt, den Tagessatz, gibt es ja wie bekannt sein sollte nur an wenigen Stellen in Bayern. Irgendwie haben die da etwas verschlafen oder der Geist von Franz-Josef hält immer noch seine Hand darüber. Na, was soll's, so schnell kann man da nichts ändern und man muß halt auf anderen Wegen schauen, wo man bleibt.
In Bayern verhungert man entweder, oder man wirft seinen Stolz über Bord und fangt an zu betteln, was aber wirklich nicht so leicht ist, wie viele glauben, die das noch nie machen mußten. Man muß schon ganz schön abgebrüht sein, um diese Scheu und Scham, die jeder hat, zu überwinden.
Na gut, ich schaute mich halt ein bißchen um und suchte den nächsten Kirchturm. Ich hatte Glück, denn bei der nächsten Kirche war auch das Pfarrhaus gleich nebenan. Ich ging also guten Mutes auf die Türe zu und überlegte dabei noch, was ich sagen würde.
Ganz genau weiß man das erst, wenn die Person, von der man was möchte, vor einem steht und man sie angeschaut hat, um dann blitzschnell den Charakter seines Gegenübers zu erkennen und die Bitte dementsprechend zu formulieren.
Das ist am Anfang natürlich nicht so einfach und man braucht dazu schon etwas †bung. Ich glaube aber, daß eine gewaltige Menschenkenntnis besitzt, wer jahrelang auf der Straße lebt, die selten täuscht. Ich klingelte also und wartete auf das, was kommen würde. Da ging die Türe auf und ein Koloß von Pfarrer stand vor mir. Der schaute mich nur an und sagte, um Gottes Willen, schon wieder einer. Da er aber die Türe offengelassen hatte, ging ich nicht gleich, sondern wartete auf eine weitere Reaktion.
Diese kam auch nach etwa fünf Minuten und der Herr Pfarrer brachte mir in etwas Papier eingeschlagen zwei Butterbrote und sagte: "Hier, bitte schon". Da ich eigentlich etwas Geld haben wollte, um meinen Durst zu läschen. war ich etwas enttäuscht, traute mich aber durch die enorme Größe des Menschen nicht, noch weiter nachzufragen. Ich wendete also eine andere Taktik an und dachte mir, wenn ich jetzt gleich in das Brot beißen würde, könnte er meinen, ich hätte wirklich großen Hunger und er gibt mir dann doch noch etwas Bargeld.
Ich biß also kräftig zu und stockte auf einmal, da ich nicht durchkam. Ich dachte mir noch, daß da ein furchtbar zäher Schinken drauf wäre und zog mit den Zähnen daran. Nun war ich aber überrascht, da nämlich auf dem Butterbrot kein Schinken drauf lag, sondern ein Zwanzigmarkschein. Als ich mich nun etwas hilflos umdrehte, stand immer noch der Pfarrer an seiner Haustüre und schmunzelte etwas frech zu mir herüber. Ich ging darauf hin noch einmal zurück und bedankte mich bei ihm, fragte aber auch, warum er das denn so gemacht hätte.
Da erzählte er mir, er mache das schon immer so und es wäre noch keiner erstickt, oder der Zwanzigmarkschein wäre verschluckt worden. Ich begriff aber immer noch nicht, warum er das denn so macht. Die Erklärung, die er mir dann gab, war im nachhinein eigentlich ganz logisch. Er meinte, daß bei ihm im Pfarrhaus jeden Tag mehrere von meiner Sorte kommen würden und viele einfach nur um Geld betteln würden, um es dann doch nur zu versaufen. Wenn aber einer wirklich Hunger hat und das Brot essen will, merkt er auch bestimmt, daß da Geld darauf liegt und damit hat er dann beides: etwas zu essen und etwas Geld für Tabak und solche Sachen.
Dieser Pfarrer erzählte mir dann auch, daß er die Leute, wenn sie von hier weggehen, immer beobachtet und wenn dann welche aus Wut, weil sie von ihm kein Geld bekommen haben, das Brot wegwerfen, geht er ihnen nach und holt sich das Geld wieder aus dem Brot und hat damit schon wieder zwanzig Mark gespart für den nächsten Armen, der es besser brauchen kann. Ich hatte dazu nichts weiter zu sagen als Bravo, Herr Pfarrer!
Da er nun irgendwie geglaubt haben muß, einen gefunden zu haben, der über seinen privaten Scherz mitlachte, zog er mich ein bißchen auf die Seite und meinte, da ich ihm irgendwie vernünftiger vorkomme, wolle er mir auch noch einen Tip mit auf den Weg geben. Da heute vormittag schon einige bei ihm gewesen waren und ihm nicht alle ganz geheuer erschienen sollte ich mich auf meinem Weg ein bißchen umschauen und dort, wo meine Kollegen sich aufhalten, in den Papierkörben nach den Butterbrotpaketen schauen. Da die von ihm alle gleich ausschauen würden, wäre es für mich nicht schwierig, diese zu finden und könnte dann das Geld, das in den Broten versteckt wäre, behalten.
Das habe ich mir natürlich nicht zweimal sagen lassen und bin dann auch gleich auf die Suche gegangen und ich glaubte es kaum, ich wurde noch zweimal fündig. Das waren also sechzig Mark für nichts und wieder nichts, verdient nur durch die Dummheit einiger Kollegen, die es dann aber auch nicht anders haben sollen.
Die Killer-Dogge auf dem Schwarzwaldhof
Wenn ich auf meiner Wanderschaft durch Deutschland mal wieder so richtig die Schnauze voll hatte und ich mich von der ganzen sogenannten Zivilisation mal wieder erholen wollte, zog es mich immer wieder in den Bayerischen Wald oder in den Schwarzwald. Da kann man noch Tage verbringen, ohne daß man einen Menschen sieht und nur alle zwei drei Stunden an einem Bauernhof vorbeikommt, dort aber immer herzlich empfangen wird und meistens auch auf eine deftige Bauern-Brotzeit und ein Glas Bier oder Most eingeladen wird.
In diesem Jahr war ich also im Schwarzwald, habe in den tiefen Wäldern geschlafen und wanderte gemütlich durch die herrliche Gegend. Es war so um die Mittagszeit herum, als ich an einen ganz einsamen Bauernhof kam der so richtig wie auf den Postkarten vom Schwarzwald aussah, er hatte also das typische tiefe Dach und den ringsherum gehenden Balkon mit den herrlichen Geranien.
Da es Mittag war und ich auch Hunger hatte, wollte ich mein Glück versuchen. Da ich schon öfters in so einsamen Gegenden gewesen bin, vermutete ich auch auf diesem Hof einen Hund. Diese sind zwar meistens an der Kette aber Vorsicht hat noch nie geschadet. Ich schaute mich also um, konnte aber nichts entdecken, was auf einen Hofhund schließen ließ. Da also keine Gefahr bestand, ging ich auf die Haustüre zu, um dort anzuklopfen. Auf mein wiederholtes Pochen reagierte aber niemand. Doch da fiel neben mir ein Ball auf die erhöhte Vorderterrasse und ich vermutete hinter mir ein dazugehöriges Kind. Doch als ich mich umdrehte, stand eine ausgewachsene Deutsche Dogge vor mir und zeigte mir ihr wunderbares Gebiß.
Nun wußte ich aus langjähriger Erfahrung, daß es auf solchen einsamen Höfen Hunde geben sollte, die einen auf den Hof kommen lassen, aber wenn keiner von der Familie zu Hause ist, nicht mehr fortlassen, bis entweder das Herrchen oder Frauchen mit einem gesprochen hat und dem Hund ein Zeichen gegeben hat, daß alles in Ordnung ist. Da ich den Hund zuerst nicht gesehen hatte und er jetzt so zähnefletschend hinter mir stand, vermutete ich hier also so eine Attacke und verhielt mich dementsprechend ruhig, ging nur langsam rückwärts, um mich dort auf die vor dem Haus stehende Bank zu setzen. Der Hund schaute mir dabei zu, stupste dann den Ball noch einmal an und kam auf mich zu. Ich saß nur wie angefroren auf der Bank, um ihn auf keinen Fall zu erschrecken und damit eine Katastrophe auszulösen. Diese Deutsche Dogge meinte es aber mit dem Hausbewachen anscheinend ganz genau. Sie kam nämlich immer näher und legte dann ihre triefende Schnauze mit dem riesigen, offenen Gebiß auf mein Knie. Bei einer geringsten Bewegung von mir sprang sie sofort drei Schritte zurück und fletschte sofort wieder die Zähne.
Da ich keine Ahnung hatte, wo denn die Bauernfamilie wäre, blieb mir gar nichts Anderes übrig als auf das zu warten, was da kommen würde.
Dann aber nach geschlagenen drei Stunden hörte ich endlich einen näher kommenden Traktor und hoffte nur, daß dies der Bauer sein würde. Zu meinem großen Glück war er es auch, stellte seinen Traktor ab und kam auf das Haus zu.
Als er mich dann auf der Bank sitzen sah, lachte er ganz fröhlich und sagte: "Ja grüß Gott, da hat sich ja mal wieder nach langer Zeit ein Wandervogel zu uns her verirrt." Daß er den Wandervogel sogleich an mir erkannte, wunderte mich nicht weiter, da ja mein Rucksack schon alles sagte. Der Bauer freute sich aber wirklich und fragte mich auch gleich, was er denn für mich tun könne. Von dem Warten vor dem bissigen Hund reichte es mir vollkommen und ich hatte nur noch den Wunsch, heil und ohne Bißwunde vom Hof zu kommen, das sagte ich ihm auch. Dieser Bauer aber meinte ich sollte mich doch ersteinmal beruhigen, dann würden wir ein Bier zusammen trinken und ich könnte ihm dabei erzählen, was mich denn so aufgeregt hätte. Das Bier hörte sich natürlich ganz gut an und so folgte ich seinem Rat und ich erzählte ihm von den berüchtigten Hunden, die einen nicht mehr fortlassen. Doch irgendwie kam es mir vor, als wüßte er nicht von was ich reden würde und als ich dann meine Geschichte mit seiner Dogge in Verbindung brachte, fing er lauthals an zu lachen. Jetzt war ich aber dabei, nichts mehr zu begreifen und erkundigte mich, was an der Geschichte so lustig sei, ich wäre schließlich drei Stunden auf der Bank gesessen und hatte auf ihn gewartet, weil mich seine Riesendogge nicht mehr wegließ.
Da fing er wiederum an zu lachen und meinte, ich sollte doch mal mit ihm auf den Hof kommen, er müßte mir da etwas zeigen, das mich bestimmt interessieren würde. Jetzt war ich natürlich gespannt, was da so wichtig und anscheinend auch äußerst lustig sein sollte. Draußen pfiff er einmal und die treue Dogge stand vor ihm und schaute ihn erwartungsvoll an. Nun erklärte mir der Bauer, daß seine Susi (äußerst passend der Name) so ziemlich der dümmste Hund sei, den er bis jetzt gehabt hätte und man überhaupt nichts mit ihm anfangen konnte. Er hätte ihn trotzdem sehr ins Herz geschlossen und ihm in monatelanger Geduld einen kleinen Trick beigebracht.
Auf mein Fragen hin, ob denn der Hund nicht scharf abgerichtet wäre, lachte er wieder und meinte, ich solle mir doch ersteinmal das Kunststück ansehen und dann werde ich alles begreifen.
Na gut, der Bauer sagte mir dann also, daß dieser Hund nie ein richtiger Wachhund sein würde und er hätte nur diese eine Sache geschafft, ihm beizubringen, die da wäre, daß der Hund wahnsinnig gerne Ballholen spielt und er dabei einem den Ball vor die Füße schmeißt und dann warten würde, daß man den Ball wegwerfen würde. Der Trick, den der Bauer aber meinte, war der, daß, bevor man den Ball wirft, die Dogge ersteinmal lachen mußte. Das funktionierte folgendermaßen: Der Hund legte also den Ball einem vor die Füße, ging dann zwei, drei Schritte zurück und auf den Befehl "lach mal schön" zeigte die Dogge ihr wunderbares Gebiß, dann mußte man den Ball werfen. Susi holte ihn zurück und das Ganze konnte von vorne beginnen.
Das war natürlich eine riesige Blamage und da ich Hunde sehr gerne habe und ich auf meine Erfahrungen mit eigenen und auch fremden Hunden sehr stolz war, schämte ich mich doch ein bißchen. Das Zurückweichen und Zähnefletschen war also gar nicht gefährlich, sondern der Hund freute sich nur, daß man mit ihm spielte und lachte einen dafür an. Das horrorhafte Auflegen der triefenden Schnauze auf mein Knie war dann auch keine Kriegserklärung, sondern ein ganz einfaches "Ich-mag-Dich!".
Ich ging nun einfach auf Susi zu und umarmte dieses wunderbare Tier, das mich so ungewollt erschreckt hatte. Jetzt konnte ich auch wieder mit dem Bauern reden und der meinte, daß ich ihm doch einige Stunden auf dem Feld helfen könnte, wenn ich Lust hätte und er dann für ein kräftiges Abendessen sorgen wollte und ich auch heute auf der Tenne schlafen könnte Aber wie das so ist, da dieser Bauer sehr einsam wohnte, mußte ich wieder einmal Tageszeitung spielen und meine Geschichten von der großen weiten Welt, die dieser Bauer noch nie gesehen hatte, erzählen, und dabei gingen so einige Biere und Selbstgebrannter über den Tisch und nicht zuletzt auch die halbe Nacht.
Nach einem kräftigen Frühstück und starkem Kaffee mußte ich mich dann leider wieder verabschieden und auch meine neue Freundin Susi bekam noch einen kräftigen Kuß. Am liebsten hätte ich sie ja mitgenommen, aber wie ich schon sagte, hatte dieser nette Bauer seine Susi auch trotz ihrer Macken sehr lieb und hätte sie nie hergegeben.
Ein Pfarrer und sein Sandhaufen
Am frühen Nachmittag an einem herrlichen, heißen Sommertag versuchte ich wieder mal im Allgäu mein Glück in einem Pfarramt. Nach meinem Klingeln und nach meiner üblichen Frage nach etwas zum Essen und Trinken, klagte mir der Herr Pfarrer sein überaus großes Leid, daß alle von meiner Sorte nur immer etwas von ihm wollen, keiner wollte ihm aber in seiner großen Not helfen. Ich befürchtete schon das Schlimmste und erkundigte mich nach seinem großen Weltschmerz.
Da erklärte der mir so gestreßte Pfarrer, er hätte seit Tagen vor seiner Garageneinfahrt einen riesigen Haufen Sand liegen, könnte ihn aber mit seinen Kreuzschmerzen nicht wegräumen und dadurch sein Auto nicht mehr in die Garage fahren. Diesem überaus armen Pfarrer mußte ich natürlich helfen und erkundigte mich nach einer Schaufel, die er auch gleich, wie von einem Wunder, neben sich stehen hatte. So machte ich mich also frohen Mutes an die Arbeit. Er erklärte mir auch ganz genau, wo er diesen Sandhaufen hin haben wollte und ich wunderte mich schon ein bißchen, daß der Haufen gerade mal so ungefähr zwei Meter verschoben werden sollte.
Na gut, dachte ich, er sollte es so haben und schaufelte flugs drauf los und war so in eineinhalb Stunden mit dem ganzen Plunder fertig Wie schon gesagt, hatte ich den Sandhaufen nur zwei Meter von links nach rechts geschaufelt.
Aber was solls, der Pfarrer war zufrieden und gab mir fünfzehn Mark dafür und bedankte sich sehr, anscheinend war nun sein Haussegen wiederhergestellt.
Ich holte mir von dem Geld etwas zum Trinken und zum Essen und setzte mich in einen nahegelegenen Park in den Schatten. Als ich da so vor mich hin döste, kam auf einmal ein Kollege von der Straße auf mich zu und setzte sich zu mir auf die Bank.
Wir kamen ins Gespräch und da meinte er, es ist doch kaum zu fassen, daß nicht mal mehr die Pfarrer etwas umsonst geben. Auf diese traurige Meinung hin wollte ich von ihm wissen, wie er das denn meinen würde, und er erzählte mir, daß er vorher bei dem Pfarrer von dieser Ortschaft gewesen sei und der ihm nur was geben wollte, wenn er ihm einen riesigen Sandhaufen von rechts nach links umschaufeln würde.
Ich hatte gerade einen Schluck Bier getrunken und habe mich ordentlich verschluckt, als ich das hörte. Als ich erzählte, daß ich das Gleiche nur in der umgekehrten Richtung machen mußte, kam ein älterer Herr auf uns zu und setzte sich zu uns. Er fing mit uns auch gleich ein Gespräch an und fragte uns wegen des vielen Gepäcks, ob wir auf der Walz seien. Da wir beide das bejahten, gab er uns auch gleich einen guten Ratschlag. Wir sollten hier in diesem Ort, wenn wir betteln wollten, ja nicht zu dem ansässigen Pfarrer gehen! Der, so dieser nette Herr, hätte sich nämlich extra 2 Kubikmeter Sand kommen lassen, um bei solchen Leuten wie wir es wären zu testen, ob wir auch für das Geld, das er uns gibt, was arbeiten würden.
Es hätte sich schon in der ganzen Ortschaft herumgesprochen und die Einwohner wären mit dieser Praxis gar nicht einverstanden.
Der nette Mann meinte auch noch, wir sollten lieber die drei Kilometer in das andere Dorf weiter wandern, da der Pfarrer dort ganz anders sei und aus Trotz gegen die primitiven Praktiken seines Amtsbruders, jedem, der zu ihm kommt, zwanzig Mark gibt und sie vor seinem Kollegen in diesem Dorf warnt, nicht auf dieses Theater mit dem Sandhaufen hereinzufallen.
Lieber Herr Pfarrer mit dem Sandhaufen, ich kann dazu nur sagen, passen Sie gut auf, nicht das Sie irgendwann mal vor ihrer Garage doppelt soviel Sand liegen haben, den ihnen dann bestimmt keiner mehr wegschaufelt.
Denn was sie, Herr Pfarrer, nicht wissen, ist, daß es in ganz Deutschland ein drahtloses Mund-zu-Mund-Berber-Telefon gibt, das solche miesen Machenschaften schnell bekannt werden läßt.
Ich wünsche ihnen nur noch GUT SAND Herr Pfarrer !
Wenn Vorurteile peinlich werden
Mit einem Freund, den ich unterwegs getroffen hatte und den ich schon längere Zeit von der Straße her kannte, beschloß ich, daß wir uns über den Winter in einer Arbeiterkolonie einquartieren und versuchen, eventuell eine Wohnung zu bekommen, um uns dann seßhaft zu machen.
Wir bekamen auch sofort einen Platz in der Kolonie und wohnten alle beide in einer Wohngruppe. Es gefiel uns sehr gut und auch die Arbeit, die da angeboten wurde, war gut und auf alle Fälle besser bezahlt, als das in anderen Kolonien so üblich ist.
Für unsere Wohngruppe war ein Sozialarbeiter zuständig, der noch sehr jung, aber sehr aufgeschlossen für unsere Probleme war. Diese Sympathie zu uns Berbern ging soweit, daß er sich uns äußerlich anpaßte und sich nicht mehr rasierte und die üblichen Klamotten trug.
Ich selbst muß hier zugeben, daß ich von vornherein schon beschlossen hatte, auf dieser Kolonie nur über den Winter zu bleiben und mich dann mit einem bißchen ersparten Geld im Frühling wieder auf die Socken machen wollte. Meinem Kumpel gefiel es aber jede Woche in diesem seßhaften Zustand besser und er kümmerte sich dann auch ganz intensiv um eine Wohnung.
Korrekterweise muß man schon sagen, daß in solchen Kolonien, bei ernsthaften Interesse, einem bei der Arbeits- und Wohnungssuche sehr geholfen wird. Es ist zum Beispiel kein Problem, auf Annoncen telefonisch oder schriftlich zu reagieren und dabei die professionelle Hilfe des jeweiligen Sozialarbeiters in Anspruch zu nehmen.
Es dauerte auch gar nicht lange, und mein Freund hatte die Gelegenheit, sich bei einer Wohnung vorzustellen. Natürlich war er ganz aus dem Häuschen und machte uns alle mit seinem schnellen Glück verrückt. Er machte gleich einen Termin mit unserem Sozialarbeiter aus, um am nächsten Tag mit ihm zu dieser Wohnung zu fahren.
An diesem Morgen kam er zu mir mit einer schicken Hose, einem neuen Hemd und einem Blazer, den er sich extra geliehen hatte. Er bat mich noch um eine Krawatte und fragte mich ganz begeistert, ob es denn so, wie er aussehe, in Ordnung sei und ob er so eine Chance hätte. Ich lobte ihn und wünschte ihm viel Glück.
Der Sozialarbeiter und mein Freund fuhren also los, und wir verabredeten uns für den Abend, daß er alles erzähle, wie es gelaufen sei.
An diesem Abend berichtete mir mein Freund: Die beiden fuhren in diese Stadt, in der die besagte Wohnung frei war, und klingelten nach einigem Suchen bei der Vermieterin. Als den beiden geöffnet wurde, stellten sie sich als die telefonischen Interessenten vor, und die Dame hieß sie einen Moment zu warten, um den Schlüssel für die Wohnung zu holen. Mein Freund sagte dieser Frau auch gleich, daß es nachher keine Enttäuschung gibt, daß, wenn es klappen sollte, die Miete vom Sozialamt überwiesen wird, da wir schon oft erlebt hatten, daß dann viele Abstand nehmen. Es ist halt immer noch sehr verbreitet, daß das Wort "Sozialamt" mit asozial gleichgestellt wird.
Die Dame führte sie dann einen Stock höher in die Wohnung. Mein Freund war begeistert, es war eine Zwei-Zimmerwohnung mit großer Küche und Bad. Die beiden schauten sich alles genau an, und die Vermieterin schaute sich die beiden genau an.
Da geschah folgendes. Wie ich schon berichtete, hatten wir einen ganz tollen und kumpelhaften Sozialarbeiter, bei dem die Solidarität zu den Leuten auf der Straße soweit ging, daß man ihn von der Kleidung her und seinem äußeren Erscheinen nicht von einem Berber, der wochenlang im Freien geschlafen hatte, unterscheiden konnte.
Die Vermieterin kam also auf meinen Freund zu, nahm ihn ein bißchen auf die Seite, sodaß der Sozialarbeiter nichts mehr hören konnte und meinte zu meinem schick gekleideten Freund, sie hatte bestimmt nichts dagegen, einen Sozialhilfeempfänger in dieser Wohnung einziehen zu lassen, da sie die Einrichtung, also die Kolonie kenne und schon des öfteren mit den Leuten dort zusammengearbeitet hötte.
Und nun kams. Der Herr aber heute, der wäre ihr doch etwas zu schmuddelig und unsauber und deshalb könne sie die Wohnung nicht an diesen Herrn vermieten. Sollte aber ein anderer Interesse haben, so könne mein Freund jederzeit noch einmal vorbeikommen.
Mein Kumpel konnte erst gar nicht begreifen wie ihm da geschah und erklärte der Dame mit einigem Stottern, daß er der sei, der die Wohnung haben wolle und der andere Herr sein Sozialarbeiter wäre. Mit einem "Ach um Gottes Willen" wurde nun die Frau ganz rot im Gesicht und beeilte sich meinem Freund zu sagen, daß, wenn es so wäre, er natürlich die Wohnung haben könne, er aber bitte dem anderen Herrn nichts von ihrer peinlichen Verwechslung sagen solle.
Na wer sagts denn, Kleider machen Leute, auch wenn sie nur von drei oder vier Personen geliehen sind. Mein Freund war natürlich ganz aufgeregt und zeichnete gleich Grundrisse und suchte sich in dem Möbellager auf der Kolonie sofort das Passende aus und ich half ihm dann auch beim Umzug und beim Tapezieren.
Bei der obligatorischen Einweihungsfeier war das erste Thema selbstverständlich diese lustige Verwechslung. Ob der Sozialarbeiter das bis heute schon mitbekommen hat, was damals vorgefallen war, weiß ich nicht, aber er soll auf alle Fälle so bleiben wie ich ihn kennengelernt habe. Es kommt nicht auf das €ußere an, sondern nur, wie einer im Inneren eingestellt ist daß dabei auch so etwas passieren kann ist weiter nicht schlimm. Wir werden alle damit leben können.
Schampus für Sylvester
Dieses Jahr waren die Weihnachtstage mal wieder so richtig traurig, da, wie man weiß, es in Bayern immer noch etwas anders ist, als in den anderen Bundesländern. Ich war zu dieser Zeit im tief verschneiten Allgäu, also wie gesagt, mit Weihnachten feiern war nicht viel drin.
Aber auch diese Woche ist vorbei gegangen und es war Sylvestermorgen. Ich schmiß also alle meine Skrupel über Bord und fing gleich am Morgen eifrig an, in jedem Geschöft, das mir in den Weg kam, meine Story zu erzählen und zu betteln auf Teufel komm raus. Aber es war mühsam, und da ich überhaupt nichts mehr in der Tasche hatte, war ich schon froh, daß ich bis Mittag Geld für Tabak und für einige Biere zusammen hatte.
Nun um zwölf Uhr machten dann auch die Geschäfte zu und ich dachte bei mir, das wär's dann. Da ich aber schon Weihnachten so traurig verbracht hatte, wollte ich wenigstens das Neue Jahr ordentlich feiern, ich gab mich also noch nicht geschlagen.
Jetzt versuchte ich es auf den Bauernhöfen und wurde da überall zu einem Schnäpschen und Bier eingeladen. Das aber mußte ich immer gleich mit den Bauern im Stall oder in der guten Stube trinken, dadurch hatte ich am Schluß zwar ordentlich einen sitzen, aber immer noch nichts für abends also um Mitternacht, um mit dem Neuen Jahr anzustoßen.
Durch den Schwips und auch durch den Ärger wurde ich immer hemmungsloser und so sprach ich dann auch Leute auf der Straße direkt an, (das hatte ich bis jetzt noch nie fertig gebracht) und es funktionierte. Ich hatte bald ein gutes Polster, auch für den Neujahrstag zusammen. Ich kaufte mir auch noch in einem kleinen Laden, der gerade noch auf hatte, etwas zum Knabbern und Trinken. Dann machte ich mich auf den Weg, um mir etwas Anständiges zu suchen, wo ich die Nacht über möglichst trocken bleiben konnte.
Nun kam ich auf meinem Weg auch noch an einer Kirche vorbei und stand auch kurz danach vor einem evangelischen Pfarramt. Ich hatte zwar alles für meine private Sylvesterparty, aber ich dachte mir, wenn du schon mal da bist, kannst du es auch noch mal hier versuchen, so nach dem Motto "entweder- oder".
Als ich nun klingelte, machte mir auch gleich der Pfarrer persönlich auf und fragte mich nach meinen Wünschen, selbstverständlich nicht, ohne mich darauf hinzuweisen, daß er nicht mal an Sylvester seine Ruhe vor uns hätte. Ich fragte ihn also, ob er nicht bereit wäre, mit ein paar Mark weiterzuhelfen. In diesem Falle konnte ich ja meine Bitte etwas frecher stellen, da ich sonst immer nur nach etwas zu Essen frage, wollte ich es hier einfach wissen, entweder gibt mir der Herr Pfarrer nun etwas oder nicht, dann wäre das Ganze auch nicht schlimm, da ich ja praktisch schon alles zu meinem Glück hatte.
Nun traf das ein, was ich mir schon beinahe gedacht habe, denn der Herr Pfarrer meinte, er würde grundsätzlich kein Geld geben, da wir sowieso nur immer alles versaufen würden. Er bat mich, etwas Geduld zu haben, dann würde mir seine Frau etwas zum Essen herrichten und ich könnte auch einen heißen Kaffee trinken.
Ich wartete also und als ich meinen Kaffee bekam, meinte der Pfarrer, er hätte sonst immer etwas Geld gegeben, aber er sieht das nicht mehr ein, da er grundsätzlich gegen Alkohol ist. Daraufhin hakte ich noch einmal nach und fragte höflich, ob er denn nicht an Sylvester einmal eine Ausnahme machen könnte, da doch an diesem einen Tag die ganze Welt auf das Neue Jahr anstößt und ich mir heute Abend auch mal was gönnen möchte, das jedoch lehnte er strikt ab.
Als ich da im Flur an einem kleinen Tisch saß, meinen Kaffee trank und mich mit dem Pfarrer unterhielt, merkte ich, daß uns schon eine ganze Weile ein etwa sechsjähriges Mädchen beobachtete und belauschte, dachte mir aber nichts dabei. Als nun die Frau von Herrn Pastor mir die belegten Brote brachte, da wünschte ich noch allen ein gutes Neues Jahr und wollte mich eben verabschieden, als von hinten aus der Wohnung eine Mädchenstimme rief: "Hallo Wandersmann, hier die schenk' ich Dir, auch alles Gute für das Neue Jahr! ".
Jetzt war ich natürlich baff und ich mußte schon ganz schön schlucken, denn ich hätte beinahe zu heulen angefangen. Das kleine Mädchen, das uns zuerst so heimlich belauscht hatte, überreichte mir, wie ich sogleich bemerkte, keine billige Flasche Sekt.
Dem Pastor fiel auch nichts Besseres ein, als nur zu sagen, aber Hallo, wo hast du denn die her? Das Mädchen drehte sich nun zu ihrem Vater um und meinte, na aus der großen Kiste, die du heute gekauft hast, da sind so viele Flaschen, da kann doch der Wandersmann ruhig eine von abhaben, oder?
Das Mädchen merkte sehr bald, daß es nicht unbedingt das Richtige war was sie gerade getan hatte und verschwand schnell im Inneren des Hauses Der Pastor war aber auch noch ganz überrascht und meinte nur, das haben sie jetzt aber nur meiner Tochter zu verdanken, da ich damit gar nicht einverstanden bin.
Als ich nun so mit der Flasche Sekt unterm Arm dastand, begriff ich sofort, daß das kleine Mädchen, sobald ich hier verschwunden bin, ordentlich €rger bekommen wird. Um dies zu regeln, sprach ich auch den Pastor darauf an und ließ mir von ihm versichern, daß er dem Mädchen keinen Ärger macht und ich selbstverständlich bereit wäre, die Flasche wieder zurückzugeben.
Der Pastor jedoch hatte seinen Schock schon wieder überwunden und sagte, das wäre ja noch schöner, daß er ein Geschenk, das seine Tochter gemacht hätte, wieder zurückverlangen würde, er möchte sich nämlich nicht noch weiter blamieren. Der Herr Pfarrer schüttelte mir dann die Hand und wünschte mir noch einmal alles Gute und ich versicherte mich noch schnell einmal, daß er dem Mädchen deswegen keinen Ärger machen würde.
Da sah ich hinter dem Pfarrer dessen Frau kommen, die sich die Hand vor den Mund hielt, um nicht lauthals loszulachen und diese Frau meinte mit einem herzlichen Lachen zu ihrem Mann, also eins muß man dir lassen, deine Kinder haben deine Gutmütigkeit geerbt, und daß ihr die Kleine in der Küche alles erzählt habe.
Dann drehte sie sich zu mir um und meinte, wissen sie mein Mann ist sonst nicht so, aber in der letzten Zeit ist er von ihren Kollegen auf der Straße des äfteren sehr enttäuscht worden und da bleibt halt immer etwas hängen, aber nichts für ungut, ich wünsche ihnen auch ein gutes Neues Jahr.
Ein wenig weiter dann fand ich im Wald auch noch eine kleine Grillhütte und so stand dem Neuen Jahr nichts mehr im Wege: PROST!
Quellenangabe
Dieter Peris: Die Killer-Dogge auf dem Schwarzwaldhof. Wahre Geschichten zum Schmunzeln und Nachdenken. Mit Zeichnungen von Lutz Oertle und Fotos von Dirk Addicks und Ralf Gleißner. Bochum 1994. (= Reihe: unbehaust. Texte und Fotos, Heft 4/1994. Hg. von Hannes Kiebel, Sozialarbeiter, Alemannenstr. 8 in 44793 Bochum)
Zum Autor: Dieter Peris
Geboren 1951 in München, von Beruf Koch und Konditor, 1968 bis 1980 berufstätig als Koch im In- und Ausland.
Nach Familienstreitigkeiten, Alkoholproblemen und wechselnden Arbeitsverhältnissen seit 1980 mit Unterbrechungen auf der Straße unterwegs, hat sich šfters gegenüber €mtern für Kollegen mit Erfolg eingesetzt.
Seit 1992 in Holzminden und mit Unterstützung der Ambulanten Hilfe für Wohnungslose seit November 1992 in der eigenen Wohnung, lebt abstinent seit über einem Jahr.