Reisen wir gut zweieinhalbtausend Jahre zurück, nach Griechenland, in die Welt des Herodot. Er wird um 490/480 vor unserer Zeitrechnung geboren, in Halikarnassos, Kleinasien. Heute heißt dieser Ort Bodrum und gehört zu den aufstrebenden Touristenorten der Türkei.
Herodot gilt als der Anfang der Geschichtsschreibung, und er hat auch selbst viele Reise unternommen. Warum ist diese Karte so wichtig? Die Karte zeigt, was damals aus griechischer Sicht genau bekannt war und das, was ungefähr bekannt war. Viel interessanter ist aber das, was nicht bekannt ist und wie damit umgegangen wird. Da wird - wie im Beispiel von Afrika - einfach auf Verdacht eine Linie gezogen, eine Kante hergestellt. Die Fläche ist nicht mehr offen, erfährt eine willkürliche, eine spekulative Grenze. Wie wirkt das auf den Betrachter dieser Karte? Es gibt aber auch Bereiche wie den oberen und rechten Rand der Karte, da wird dieses Problem gelöst durch den Rand des Papiers. Die Endlichkeit des benutzen Mediums "löst" für den Autor der Karte die Frage nach dem, was da noch sein kann. Das Blatt hat ein Ende, was darüber hinaus noch ist, findet keinen Platz mehr. Geschickt wird ein Problem abgewälzt, genau genommen seine fehlende Lösung wird kaschiert durch die Begrenztheit des Mediums, der gewählten Darstellung.
Paul Tepper
INSTITUTE FOR THE STUDY OF HOMELESSNESS AND POVERTY
at the Weingart Center
566 S. San Pedro Street
Los Angeles, CA 90013
phone: 213.689.2281
fax: 213.689.2268
www.weingart.org/institute
Michael Stoops
Director of Community Organizing
National Coalition for the Homeless
1012 14th St., NW; #600
Washington, DC 20005-3471
Ph: (202) 737-6444 x19
Fax: (202) 737-6445
www.nationalhomeless.org
Mike Greenbreg
interfaith assembly for homelessness and poverty
Ted Hayes
Dome Village, Los Angeles
www.domevillage.org
Obdachlosensiedlung am rande des freeways, in silbernen halbrunden leichtbau-häusern (buckminster fuller-modelle). sehr sehenswert. leitet die anlage, er ist ein selbsternannter sprecher der obdachlosen und enorm eigen und charismatisch (und stolzer republikaner!): (213.892.9011).
OBDACHLOSENZEITUNGEN:
national/international street newspaper association (ISNA),
Timothy Harris
Seattle
realchange
New york gibt es 2 street newspapers,
streetnews (seit 1989) und
bignews (seit ca. 2000).
der jetzige herausgeber von streetnews ist indio (indio
washington), der in staten island das heft vom pc aus zusammenstellt
. es gibt nur wenige verkäufer -- indio sagt, weil
bignews sie ihm weggelockt hat (die zahlen mehr), aber bignews haben auch
nicht so irre viele!
wer im moment bignews herausgibt, weiss ich nicht. ron gruenberg, den ich in dieser funktion traf, schrieb mir zuletzt, er sei nicht mehr dabei (wenn ich ihn richtig verstanden habe -- vielleicht war er auch nur krank?). sein bruder jeff leitet mainchance, die obdachlosen-organisation der grand central neighborhood organization, die die zeitschrift herausgibt. bignews sind diejenigen, die die fussball WM nach nyc geholt haben, und die auch ein team stellen (das US team!). die email adresse jedenfalls ist
das archiv, von dem ich erzählte, ist in madison, wisconsin. mein kontakt da war:
James P. Danky
Newspapers and Periodicals Librarian
Wisconsin Historical Society
816 State St.
Madison, WI 53706
Phone: 608-264-6598
FAX: 608-264-6520
and
Director
Center for the History of Print Culture in
Modern America
slisweb.lis.wisc.edu/~printcul/
die wisconsin historical society (die mit der uni verbunden ist) vergibt auch kleinere forschungsstipendien!
das hobo-heft "hobo news" konnte ich mir in der bibliothek der new york university angucken (allerdings haben sie nur 4 dünne ausgaben). die haben
da einen sammelschwerpunkt "radikale blätter" -- blöderweise habe ich den
namen vergessen. jim danky hatte mir davon erzählt.
Andrew Fyson
Kanada, British Colombia
Haus (Log home) mit > 2 Ha gekauft (selbstaendig zu sein) auf Denman Island).
Der Zustand der Obdachloese in Toronto ist schlecht. Es gibt viel zu viel Bettler auf der Strasse mit wenige Hilfe von der Stadt. Toronto ist genau so gross wie Berlin, aber die Sozialhilfe usw ist viel zu wenig.
Andrew u. Robert.
Peter Szynka
Bohlenweg 5A
26188 Edewecht
www.fo-co.info
Stephan Richter
Prenzlauer Allee 6)
Sozialarbeiter Schwerpunkt Wohnungslose (bzw. betreutes Wohnen) hat.
Dr. Jürgen von Mahs
1998 Doktorarbeit zum Thema Wohnungslosigkeit in Deutschland & Amerika
Assistenzprofessor an der New School University in New York
Jens Sambale hat auch andere Leute im Bereich homelessness in L.A.
interviewt und kann Dir dort mehr Tips geben!
Margit Meyer
http://userpage.fu-berlin.de/~jfkpolhk/
http://www.workfare.ipn.de/
Forschungsreisen bei der DFG
weitere Adressen in NYC
http://www.nationalhomeless.org/resources/state/newyork.html
Undine Hannemann
Philadelphia
Stephan F. Wagner, Paritätische Akademie
Dr. Dorothea Loebbermann
Institut fuer Anglistik und Amerikanistik
Humboldt-Universitaet zu Berlin
Unter den Linden 6
D 10099 Berlin
Tel.: (+49) 030. 2093 2318
Fax: (+49) 030. 2093 2244
www2.rz.hu-berlin.de/inside/amerika
Internationales Symposium „Obdachlosigkeit in Japan und Deutschland“ – Hilfe und Bürgerengagement gefordert
Das internationale Symposium „Obdachlosigkeit in Japan und Deutschland“ (Veranstalter: Ôsaka City University Urban Research Plaza Committee, JDZB und Goethe-Institut Ôsaka, mit Unterstützung der Yomiuri Shimbun) fand am 4. März 2006 auf dem Sugimoto Campus der Ôsaka City University statt. An der morgendlichen Expertenkonferenz und der Podiumsdiskussion am Nachmittag nahmen insgesamt etwa 450 Personen teil. Es fand ein gründlicher Meinungsaustausch zum Wesen der Unterstützung Obdachloser und zum Problembewusstsein der Bürger in dieser Frage statt. Hier ein kurzer Überblick über die Veranstaltung mit Schwerpunkt auf der Podiumsdiskussion.
Grundsatzreferate
Dr. Stefan Christian Schneider (Gründer des Vereins „mob – obdachlose machen mobil e.V.“): „Wohnungslosigkeit in Deutschland: Einige Bemerkungen zur gegenwärtigen Situation, zu den Hilfsangeboten und zu aktuellen Problemen und Aufgaben“
Ich leite in Berlin ein Selbsthilfeprojekt wohnungsloser Menschen und kümmere mich um eine Straßenzeitung, temporäre Übernachtungsmöglichkeiten, Tagestreffpunkte, Einrichtungshilfen sowie um den Bau von Wohnungen.
Die ersten Jahren des Prozesses der Vereinigung Deutschlands 1990 haben zu einer dramatischen Zunahme von Wohnungsnot und der Zahl der Obdachlosen geführt. Das hat sich zwar abgeschwächt, aber mehr als fünf Millionen Menschen sind ohne Arbeit. Durch die Globalisierung sind die traditionellen Systeme und sozialen Beziehungen in eine Krise geraten. Die Destabilisierung reicht bis in die Mittelschichten, und so nimmt auch das Risiko des Wohnungsverlusts zu.
Nach einer Definition des Deutschen Städtetags von 1987 zählen nicht nur Menschen, die auf der Straße leben, zu den Obdachlosen, sondern u.a. auch solche, die bei Verwandten oder Freunden wohnen oder die in diversen Einrichtungen oder billigen Hotels untergebracht sind.
Es gibt vier Strategien gegen die Obdachlosigkeit:
- Erstens die private Hilfe. Sie ändert nichts an der Obdachlosigkeit, stellt aber einen Beitrag zum Überleben dar.
- Zweitens die Unterbringung in Heimen. Die Kommunen sind gesetzlich verpflichtet, für entsprechende Übernachtungsmöglichkeiten zu sorgen. Allerdings werden sie von vielen abgelehnt, weil es sich um ein erzwungenes Zusammenleben auf niedrigem Niveau handelt.
- Drittens die öffentliche Unterstützung auf der Grundlage der Sozialgesetzgebung. In diesem Zusammenhang gibt es gleichwohl viele, die auf die Straße zurückkehren, weil sie die Preisgabe persönlicher Informationen verweigern.
- Viertens die Ausgrenzung und Vertreibung mit gesetzlichen Mitteln. So gibt es Bestimmungen, die den Alkoholkonsum an öffentlichen Plätzen verbieten oder auch solche, nach denen private Betreiber [öffentlicher Plätze] Betteln und Schlafen am Ort untersagen können.
In der Zeit von 1989 bis 2005 gab es mindestens 143 Todesfälle durch gewaltsame Interventionen oder Angriffe.
Wir leben in einer gefühlskalten Zeit. Die ablehnende Haltung gegenüber Obdachlosen wird immer stärker, für viele Bürger sind sie einfach „unangenehm“ und „selbst schuld“. Die Obdachlosigkeit nimmt wieder zu, Gewalt und Ausgrenzung wachsen, und es steht zu befürchten, dass der gesellschaftliche Konsens in einigen Jahren zerbricht.
Diese soziale Prüfung lässt sich nur bestehen, wenn es gelingt, alle Menschen einzubeziehen, einschließlich der Betroffenen.
In Japan konnte ich in dieser Hinsicht ein außerordentlich aktives Herangehen beobachten. Nicht eine problembehaftete Gruppe, sondern die Zusammenarbeit lässt die Menschen Hoffnung schöpfen. Diese Einstellung war bei den japanischen Obdachlosen und den Aktivitäten zu ihrer Unterstützung erkennbar, was mich sehr ermutigte. (…)
Sumitani Shigeru (Vize-Umweltminister): „Das Problem der Obdachlosigkeit in Japan – Ideen und Maßnahmen zur Problemlösung“
In Japan verschärfte sich das Problem in der zweiten Hälfte der 1990er Jahre, und die Regierung ergriff 1999 erstmals Gegenmaßnahmen. Zu jener Zeit leitete ich das Social Welfare and War Victims’ Relief Bureau des damaligen Ministeriums für Gesundheit und Soziales. Die Arbeitswilligen machten etwa 60 bis 70 % aus, weshalb man sogenannte „Centers for the Support of the Independence of the Homeless“ zur Hilfe bei der Stellensuche einrichtete.
2002 trat das „Special Measures Law about the Support of the Independence of the Homeless“ in Kraft. Allerdings ist es ziemlich fraglich, ob die Verabschiedung von Gesetzen auch ein Fortschritt bei konkreten Maßnahmen ist. Meiner Ansicht nach sind letztere noch nicht ausreichend.
- Die erste Ursache für Obdachlosigkeit ist der Verlust des Arbeitsplatzes. Durch die Veränderung der Wirtschaftsstruktur kommt es zu einem Arbeitsplatzabbau in der Baubranche, doch auch die Entwicklung der Informationsindustrie führt zu einem Beschäftigungsdefizit. Über die Einstellung von nichtregulärem Personal verfolgen die Unternehmen eine Steigerung ihrer Leistungsfähigkeit.
- Zweite Ursache sind Veränderungen in der Familienstruktur und der Zusammenbruch der regionalen Gemeinschaften.
- Dritte Ursache ist die Wohnungspolitik. Das Wohnungsproblem findet in Japan bei der sozialen Absicherung keinerlei Berücksichtigung.
In Europa beläuft sich der Anteil der wohnungsrelevanten Posten an den Leistungen der Sozialversicherung auf ca. 20 %, in Japan dagegen nur auf etwa 1 %.
Die Folge ist eine verstärkte soziale Ausgrenzung. Bei Todesfällen in Vereinsamung, Selbstmorden, durch Isolierung von in Japan lebenden Ausländern usw. muss dieser Aspekt berücksichtigt werden. Das notwendige Prinzip lautet „Social Inclusion“ (Beteiligung am gesellschaftlichen Leben). Wenn die ausgrenzenden Kräfte erst einmal wirken, wird eine Umkehr schwierig.
Für die öffentliche Wohlfahrt ist es künftig erforderlich, nicht von Gesetzen oder Systemen, sondern von den realen Bedürfnissen auszugehen und die Bevölkerung einzubeziehen. Bei den Bedürfnissen spielt die Arbeit eine besonders große Rolle. Es geht um Einstellungen, aber auch um die Schaffung von Arbeit. Als Beispiel dienen könnten hier die so genannten „Sozialfirmen“, die aus einer Bewegung geistig Behinderter in Italien entstanden. In den etwa 2.000 Kommunen sollte es jeweils wenigstens eine soziale Werkstatt oder Firma geben, in denen die Leute auch soviel verdienen, dass sie davon leben können. Es ist wichtig, diese Einrichtungen in die örtlichen Wohlfahrtspläne aufzunehmen. (…)
Expertengespräch und Strategiediskussion
Am Expertengespräch am Vormittag nahmen Dr. Stefan Schneider, Werner Just (Sozialdienst Katholischer Männer e.V., Köln) sowie Vertreter von Organisationen aus Ôsaka, Kôbe, Wakayama, Kitakyûshû und Tôkyô teil. Sie diskutierten Wege, die Fähigkeiten der Betroffenen umfassend zur Geltung zu bringen, und Strategien zur Veränderung des Bewusstseins der Bürger. Dr. Schneider erklärte: „Deutschland hat eine hohe Arbeitslosenquote. ,Man gibt uns keine Anstellung mehr. Wir werden von niemandem gebraucht.‘ Das glauben viele und geraten in Alkohol- oder Medikamentenabhängigkeit. Sie kämpfen allein, haben kein Solidaritätsgefühl.“ Weiter führte er aus: „In Ôsaka gibt es in einem Zelt im Park sogar einen Selbstverwaltungsrat. Die Menschen sind motiviert und spüren ihre Identität und potenziellen Fähigkeiten.“
Herr Just wies demgegenüber darauf hin, dass die Reaktion der japanischen Gesellschaft auf die Probleme schlechter als die deutsche sei. Es gebe hier zwar ein öffentliches Unterstützungssystem, doch werde es kaum genutzt.
Hohe Wertschätzung bei den beiden deutschen Vertretern fanden die in Japan praktizierten Formen der Herstellung von Verbindungen zur Bevölkerung, wie z. B. die Einladung von Schülern zu Exkursionen, bei denen Obdachlose als Führer fungierten. Zugleich seien weit reichende Perspektiven vonnöten, für die auch die Macht der Medien zu nutzen wäre.
Benefizkonzert von Thomas Beckmann
Nach dem ersten Teil des Symposiums gab der international renommierte Cellist Thomas Beckmann vor etwa 200 Zuhörern ein Benefizkonzert. Beckmann, der auch Gründer des Vereins für Obdachlosenhilfe „Gemeinsam gegen Kälte“ ist, spielte Stücke von François Couperin und Johann Sebastian Bach. Als Zugabe ertönen Melodien aus „Limelight“ von Charly Chaplin. In der anschließenden Podiumsdiskussion wurde die Tätigkeit des Vereins vorgestellt, worauf man anregte, probeweise auch in Japan Hilfsaktionen in Zusammenarbeit mit Musikern durchzuführen.
(Auszug aus den Sonderseiten der Ôsaka Yomiuri Shimbun (Morgenausgabe) vom 18.03.2006, Nachdruck mit Fotos mit freundlicher Genehmigung des Autors Hara Shôhei, Wissenschaftsredakteur der Yomiuri Shimbun, Ôsaka)
Mir zur Verfügung gestellt von
Michael Niemann ミヒャエル・ニーマン
Leiter Presse- und Oeffentlichkeitsarbeit 広報部長
Japanisch-Deutsches Zentrum Berlin (JDZB) ベルリン日独センター
Saargemuender Str. 2, 14195 Berlin, Germany
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Spaß
Wer heutzutage auf den Gewässern dieser Welt ein Schiff mit Piratenflagge sichtet, muss nicht mehr um sein Leben fürchten. Die Wahrscheinlichkeit, dass es sich um eine meist männliche Chartercrew handelt, die für ein paar Tage ihren Spaß haben will, ist sehr hoch. Dennoch ist Vorsicht geboten, den oftmals ist auf solchen Schiffen eine verhängnisvolle Kombination von dilettantischer Seemannschaft und übermäßigem Alkoholkonsum zu vermuten. Oder aber es sind Kinder an Bord. Die stolzen Eltern oder Großeltern wollen die Kleinen mal so richtig beeindrucken und spielen gemeinsam Klabautermann und Co. Auch hier ist Vorsicht geboten, denn wer spielt, vergisst häufig Zeit und Raum. Die dritte und kleinste Kategorie von Schiffen unter dem Jolly Roger gehört den Aussteigern oder, genauer gesagt, solchen, die gerne dafür gehalten werden möchten. Hier kompensiert die Flagge gelegentlich das fehlende Kleingeld für solcherlei Projekte und oftmals sind die Schiffe in einem bedenklichen Zustand. Viele dieser Individualisten beherrschen immerhin souverän ihr Schiff, es gibt aber auch welche, die ohne weitere Vorkenntnisse belastet einfach in See gestochen sind. Auch hier ist es besser, Wahrschau zu halten und mit hinreichendem Abstand zu passieren. Aber, wie gesagt, eine echte Gefahr geht von solchen Schiffen in der Regel nicht aus.(1) Daneben gibt es noch die tatsächliche, wirkliche und gewalttätige Piraterie zum Beispiel am Horn von Afrika, dem indonesisch-malaysischen Archipel, im zentralamerikanischen Raum und in einigen anderen Regionen der Welt. Bei diesen blitzschnellen und auf den Überraschungseffekt ausgerichteten Kampagnen wäre das offensichtliche und frühzeitige Zeigen der Identität eher kontraproduktiv.
Integration
Dennoch ist das Zeigen der Piratenflagge heutzutage weitaus mehr und weiter verbreitet als nur unter einer schmalen Minderheit von Wassersportlern. Die ersten drei Piratenfilme des Johnny Depp beispielsweise haben mehr als 2.200.000.000 Dollar Profit eingespielt. Und auch sonst boomt die verkaufsorientierte Piraten-Industrie: Computerspiele, Romane, Comis, Operetten, TV-Serien - Piraterie ist ein big business, mit dem die großen Unternehmen ihre Profite steigern. Bei den Anfängen des Goldenen Zeitalters der Piraterie, der kurzen Zeitspanne zwischen 1690 und 1730 mit dem kurzen aber spektakulären Höhepunkt in den Jahren von 1714 bis 1722 war das noch anders. Die Mächte, die um die Vorherrschaft in der Karibik kämpften, etwa England, Frankreich und Holland stellten das Ausstellen von offiziellen Kaperbriefen ein, weil sich das gegenseitige Plündern und rauben als kontraproduktiv erwies. Hunderte, ja tausende von Kaperfahrern sollten nun wieder mit einer konventionellen Arbeit ihr Brot verdienen. Das sahen aber viele nicht ein und beschlossen, weiter zu machen, in eigenem Auftrag. Denn die Alternativen, sich auf Schiffen der Marine unter übelsten Bedingungen zu Tode kommandieren zu lassen oder an Land als schlecht enthohnte Hilfskraft schuften zu müssen, waren alles andere als attraktiv. Wenn es aber gelänge, weiterin erfolgreich Handelsschiffe zu plündern, würde ein kurzes schnelles Risiko mit reicher Beute belohnt. Angefangen von den Dingen des täglichen Bedarfs bis hin zu Gold und Schmuck. Reichtümer, die das, was mit sogenannter ehrlicher Arbeit zu erzielen wäre, weit überstiegen. Leben vom Überfluss, so lange, wie die Vorräte eben reichen. Diese Idee von Freiheit und Selbstbestimmung scheint es zu sein, die den Mythos der Piraterie bis heute aufrecht erhält, trotz aller Schattenseiten wie brutale Gewalt, Rücksichtslosigkeit und vor allem Schäbigkeit und Elend, die durchaus auch zur Kenntnis zu nehmen sind. Womöglich ist genau diese denkbare, drohende Aufruhr der Grund, weshalb sich auch die alles beherrschende Industrie mit Piraterie befasst. Denn alles, was nicht restlos bekämpft werden kann, muss integriert, idealisiert, geglättet, überformt und entschäft werden. Und von Jack SPARROW, dem legendären Disney-Piraten, geht nun wirklich keine Gefahr aus, außer vielleicht die Gefahr schlechter Unterhaltung.
Aufruhr
Aber nicht alles ist integrierbar, ein Unterstrom, ein unheimlicher Subtext bleibt und erfährt immer wieder neue Wikungsmächtigkeit. In spielerischer Form benutzt beispielsweise der Fussballverein FC St. Pauli die Symbolsprache der Piraterie, um sein Underdog-Image erfolgreich zu inszenieren. Wir sind zwar meistens Verlierer - aber wir sind dabei! lautet das unausgesprochene Motto dieses Vereins und verweist damit auf ein zentrales Problem der Piraterie. Sie ist letztlich auf Herrschaft bezogen und erfreut sich - trotz aller Autonomie - immer wieder auch daran, den Großen und Etablierten eins auszuwischen. Böse gesagt wäre demnach Piraterie ein notwendiges Korrektiv zum herrschenden System - eine Art sozialer Hinweis auf bestehene Defizite. Aber bereits ein anderes Beispiel - die Piratenpartei - relativiert diesen Eindruck wieder. Die Kernidee dieser Bewegung besteht kurz gesagt in der Auffassung, dass insbesondere im digitalen Zeitalter Daten für alle frei zur Verfügung stehen müssen - sowohl in Bezug auf Transparenz als auch in Hinblick auf Vervielfältigung. Der Internetwissenschaftler Michael SEEMANN bezeichnet in einem 2011 erschienenen Aufsatz das Internet als riesige Kopiermaschine, und bereits die Kulturwissenschaftler des 20. Jahrhunderts dachten - lange vor der Durchsetzung des Computers als gesellschaftliches Instrument - über die Reproduzierbarkeit von Kunst nach (Walter BENJAMIN), Künstler wie Andy WARHOL entwickelten Reproduktionstechniken zum eigenen Kunststil. Das Konzept der allgemeinen Verfügbarkeit von Daten ist deshalb so gefährlich, weil es in einem sehr einfachen Schritt auf die Verfügbarkeit von Sachen übertragbar ist und weil es einen zentralen Angriff auf alle jene Interessen darstellt, die mit dem Eigentum an Daten (Software! Musik! Bücher! Urheberrechte! Patente!) Geld verdienen wollen. Dass die Erosion des Eigentums und des Urheberrechts im vollem Gange ist, belegt die open source und die commons Bewegung. Da sind Texte ausdrücklich frei verfügbar, da werden Daten getauscht und kopiert, was die Leitungen hergeben, da wird bewußt mit Blick auf die allgemeine Verwendung hergestellt, programmiert und verbreitet. Ohne Zweifel: Die Idee der Piraterie(2) stellt Herrschaft und Eigentum radikal in Frage.
Und deshalb wird sie so radikal bekämpft. In den p2p - Tauschbörsen wie utorrent sind nur wenige Nutzer_innen aus dem deutschen Raum unterwegs, was wohl auch eine Folge der massiven Propaganda gegen sogenanntes "illegales" Kopieren in Verbundung mit einer massiven Abmahnwelle ist. Dabei ist den wenigsten bewußt, daß Tauschen immer dann völlig legal ist, wenn die Urheber von Werken ihre Werke ausdrücklich nicht schützen bzw. ausdrücklich zu einer freien öffentlichen Verwendung auffordern, was einige erfolgreiche Künstler_innen durchaus tun. Diese wenig kämpferische Stimmung im deutschsprachigen Raum führt unter anderem dazu, dass offen zugängliche Musik aus dem deutschen Kulturraum im Internet deutlich unterrepräsentiert ist. Diskographien von Udo Lindenberg, Achim Reichel, Hannes Wader, Embryo, Nina Hagen, Floh De Cologne, Ina Deter und anderen sind im Netz (noch) vergeblich zu finden. Aber kein Zufall ist, dass immerhin eines der führenden BitTorrent-Tracker Portale, das seit 2004 besteht, den Namen The Pirate Bay trägt.
Sie ist flach ...
Bücher über Piraterie gibt es unzählige und die meisten von ihnen sind teil der Popkultur. Sie wollen Aufmerksamkeit erheischen und ihr Sinn besteht darin, verkauft zu werden und einen Gewinn zu erzielen. Sie bedienen Klischees für die, die nach Klischees suchen. Nur eine Handvoll Bücher über Piraterie versucht ernsthaft, den Gegenstand zu erfassen und für interessierte Menschen zu erschließen. Dazu gehört auch das Buch von Gabriel KUHN: Unter dem Jolly Roger. Piraten im Goldenen Zeitalter (2011). Warum ein neues Buch über Piraterie, wo doch alles zum Thema gesagt ist? Auch der Autor räumt ein, dass es, was die historischen Fakten anbelangt, so gut wie kein neues Material gibt. Es sind keine neuen spektakulären Tagebücher, Urkunden oder gar Schätze aufgetaucht. Wahrscheinlich deshalb, weil es sie auch nie gegeben hat und wenn, dürften sie meistenteils verrottet und damit verloren sein. Das Anliegen von Kuhn ist ein anderes als das nochmalige Widerkäuen bekannter Fakten. Sein Interesse besteht in der Re-Interpretation des Phänomens aufgrund neuerer, moderner sozialwissenschaftlicher Konzepte.(3) Untersucht wird, welche Parallelen und Gemeinsamkeiten zu den Konzepten der Guerilla (Che GUEVARA, Carlos MARIGHELLA) und des Volkskriegs (Mao TSE-DONG) bestehen. Bemerkenswert sind auch die Bezüge zu dem Begriff der Sozialrebellen (Eric HOBSBAWN) und der Frage nach der Radikalität der Piraten (Christopher HILL). Der Autor verhehlt nicht eine gewisse Sympathie zu anarchistischen, autonomen und libertären Denkansätzen, begeht aber nicht den Fehler, das historische Material in eine bestimmte Form zwingen zu wollen. Nein, die Piraten des Goldenen Zeitalters hatten keinen alternativen Gesellschaftsenwurf vor Augen, nein, ihre demokratischen Elemente waren nicht auf Nachhaltigkeit angelegt, sondern folgten vielmehr unmittelbar praktischen, manchmal irrationalen Erwägungen. Die Kategorie des Dionysischen wird (unter Bezug auf den schwierigen Philosophen Friedrich NIETZSCHE) eingeführt, um alles das zu beleuchten, was unmittelbar, ekstatisch, rauschhaft, orgiastisch und orginär ist an der Lebensweise der Piraten, bezogen auf das Hier und Jetzt, auf das Heute und auf eine Lust am Augenblick, die so tut, als gäbe es kein Morgen. Natürlich ist das dionysische nicht nur gut und schön, sondern auch ordinär und gemein, pervers und peinlich, schäbig und billig. Aber gerade in diesen (kurzen) Augenblicken der Exstase nach endlos gleichförmigen Alltagstagen des Müßigganges scheint diese Widerspenstigkeit auf, die nicht einzutakten ist in Regime der Zeit, des Raumes, der Macht und des Befehls. Der Gegenentwurf zu den Versuchen der Institution der Macht, die Körper zu beherrschen ist der radikale Einsatz der Körperlichkeit. Ja, sie waren grausam, weil ihnen im Fall des Scheitern der Expedition ein grausames Urteil erwartete. Sie waren grausam, weil dieses Image ihnen half, die Gegner einzuschüchtern und ein schnelles Aufgeben zu erzwingen. Sie waren grausam, weil sie in der öffentlichen Berichterstattung - und damit der historischen Überlieferung - grausam dargestellt werden mussten, um als Feindbild zu dienen. Piraten sind damit ein Beispiel für das Konzept von Biopolitik und den Möglichkeiten, sich mit eigener Biomacht dagegen zu wehren, eine Idee, die von Michel FOUCAULT entwickelt worden ist. Ausgesprochen bemerkenswert ist auch die Bezugnahme auf die Überlegungen zur Nomadologie, wie sie vor allem in dem Werk 1000 Plateaus von Gilles DELEUZE und Felix GUATTARI entwickelt worden sind. Die Welt ist flach.(4) Es gibt keine Hindernisse, Grenzen, Mauern, Hürden, Schranken, Zwangswege. Kein Punkt, kein Ort ist per se besonders privilegiert, keinem Raum kommt eine besondere Macht oder Wichtigkeit zu. Zuhause ist dort, wo Menschen sind und zu Hause sein wollen. Durch die Institutionen und Strukturen der Macht entstehen Einkerbungen des flachen Raumes. Einkerbungen, die einschränken, verhindern, zerstören, abtrennen, unterscheiden, verzerren. Piraten, so sagt KUHN mit Blick auf DELEUZE und GUATTARI, heben diesen Raum wieder auf. Sie ziehen die Fläche wieder glatt. Sie geben uns ein Stück der flachen Welt zurück. Jedenfalls für eine bestimmte Zeit in einer bestimmten Region. So bekommt das piratische eine allgemeine philosophische Dimension. Nicht als restriktive Norm, sondern als Möglichkeitsraum. Die Welt und unser Leben müssen nicht, sie können aber piratisch sein. Es ist das Verdienst des Autors, auf diese reale Möglichkeit hingewiesen zu haben.
Der Schatz: Fazit und Kritik
Allerdings glaube ich dem Autor nicht, wenn er sagt, es gäbe keine neuen Erkenntnisse, Quellen und Dokumente zur Piraterie. Gerade mit modernen und unkonventionellen Methoden hat die Archäologie bedeutende Fortschritte gemacht, aber auch die Anthropologie und Geschichtswissenschaft hat mit Hilfe des Computers (und seiner Simulationsmöglichkeiten) völlig neue Instrumente zur Verfügung. Ebenfalls nicht zu unterschätzen sind die Möglichkeiten der experimentellen Archäologie. So wurden beispielsweise die Seereisen des Odysseus und des Paulus auf Grundlage der historisch überlieferten Aussagen auf ihre Plausibilität hin überprüft - mit bisweilen erstaunlichen Ergebnissen. Etwas ähnliches stelle ich mir in Bezug auf die Freibeuter vor: Forschungsexkursionen Auf den Spuren der Piraten in der Karibik. Auch wenn der legendäre Schatz des Captain Flint wohl nie gefunden werden wird, es gibt sicher noch Schätze, die auf uns warten.