Guten Tag,
es ist mir völlig unverständlich, dass die Grüne Fraktion Pankow in der BVV Pankow einen Antrag Drucksache VII - 1169, auf der BVV-Sitzung am 01.06.2016 einbringt, in dem sie sich dafür ausspricht, eine Massennotunterkunft in Pankow errichten zu wollen.
Ich habe 10 Jahre in der BündnisGrünen Fraktion ua als Sprecher für Sozialpolitik mitgearbeitet und versucht, deutlich zu machen, dass es auf kleinteilige, den unterschiedlichen Lebensumständen entsprechende Lösungen ankommt, die über dies in der Lage sein sollten, einen Anschluss an weitere Hilfeangebote zu gewährleisten.
Eine Massennotunterkunft ist - das zeigen leidvolle Erfahrungen aus Vergangenheit und Gegenwart - eher dazu geeignet, bestehende Problemlagen noch zu verschärfen und zu eskalieren (Stichwort Hygiene, Stichwort Gewalt, Stichwort Unruhe) - auch wenn aus Sicht der Sozialwirtschaft große zentrale Einrichtungen sicher wirtschaftlicher zu betreiben, einfacher zu bewerben und besser zu vermarkten sind.
Ich arbeite gerade in Freistatt an einer Kampagne zur Teilhabe Wohnungsloser, und gerade gestern erst habe ich Gespräche mit Wohnungslosen geführt zur Frage, welche Themen zu bearbeiten sind, und mit eines der ersten Stichworte neben Ausgrenzung war das Thema der viel zu großen Notübernachtungen.
Es kann sein, dass meine Wahrnehmung durch den mehrjährigen Abstand zur Kommunalpolitik etwas getrübt ist, aber vom fachlichen Standpunkt her dürfte sich an der grundsätzlichen Problematik von Massennotübernachtungen in zwangsgemeinschaftlicher Unterbringung kein neuer Aspekt ergeben haben, der einen solchen Irrsinn als zielführend erscheinen lässt.
Ich möchte der Grünen Fraktion raten, diesen Antrag noch einmal gründlich zu überdenken und stehe gerne - sofern mir das die Zeit erlaubt - für eine fachliche Beratung zur Verfügung.
Freistatt, 01.06.2016
Stefan Schneider
Öffentliche Büchereien waren lange Zeit für mich das Maß aller Dinge. Erst die Bezirksbüchereien, dann die Fachbibliotheken, später die Universitätsbibliotheken. Bücher suchen, auswählen, ausleihen, lesen, durcharbeiten und zurückbringen. In den letzten Jahren bin ich auf der Suche nach Literatur häufiger im Internet fündig geworden. Ich schickte dann eine email an den Buchladen meines Vertrauens und häufig war, wenn nicht ohnehin schon im Regal vorhanden, das Buch schon am nächsten Tag da. Mit einem Teil des Buchpreises würde ich diesen Buchladen in meiner unmittelbaren Nachbarschaft unterstützen und hätte zudem noch eine kompetente persönliche Beratung – die auch durch ein Online-Bewertungssystem nicht ersetzt werden kann.
Während ich in den ersten Jahren auf jedes neu hinzukommende Buch in meiner Wohnung stolz war, hat sich nach nunmehr drei Jahrzehnten wissenschaftlicher Arbeit meine Haltung dazu geändert. Nicht mehr jedes Buch ist es wert, aufbewahrt zu werden. Das hat mehrere Gründe. Oft hat sich die Forschungsfrage oder das Thema für mich erledigt und ich komme nicht mehr darauf zurück, zweitens es ist auch nicht meine Aufgabe, Bücher zu sammeln und wohl am wichtigsten ist drittens, immer genug Platz für Neues zu schaffen. Und trotzdem sind die Bücher, die ich nun nicht mehr brauche, einigermaßen neu, aktuell und in einem guten Zustand. Nun tun sich öffentliche Bibliotheken oftmals schwer mit der Einarbeitung von angebotenen gebrauchten Büchern – und ein Buch, das nicht benutzt wird, ist in gewisser Weise wertlos.
Eine naheliegende Alternative besteht darin, Bücher zu verkaufen. Eine auf Fachbücher spezialisierte Plattform ist Studibuch. Die für das Smartphone erhältlich Studibuch-App ermöglicht zudem, den Barcode zeitsparend einzuscannen und der Versand der Bücher erfolgt klimaneutral.
Wissenschaft ist in gewisser Weise ein angstfreier Raum. Bücher widersprechen einem nicht, und oft sind auch die Autoren schon lange tot und können sich gegen Kritik nicht wehren. Das war mir im Moment, als ich damit anfing, so aber nicht klar. Ich genoss es, durch die Gänge der Bibliotheken zu streifen, nach immer neuen Büchern Ausschau zu halten und sie dann beliebig zu benutzen. Das Inhaltsverzeichnis zu durchstreifen mit analytischem Scharfsinn, das Literaturverzeichnis prüfend zu durchblättern und dann beliebig irgendwo mittendrin mit der Lektüre zu beginnen – auf der Suche nach einer genialen Formulierung, einer neuen Sichtweise, einer überraschenden Argumentation. Oder nach dem Gegenteil. Eine fadenscheinige Begründung, ein schwacher Einwand, eine vorgeschobene Behauptung. Es gibt eben kluge Bücher und nicht so kluge.
Heute sind mir Bücher nicht mehr ganz so wichtig. Aber ich benutze sie dennoch oft, um darüber mit Menschen ins Gespräch zu kommen.
Berlin, 19.05.2016
Stefan Schneider
Abbildung: Vincent van Gogh, Stilleben mit Bibel (1885), Van Gogh Museum-Amsterdam.
Quelle: WikiCommons.
URL: https://commons.wikimedia.org/wiki/File:Vincent_van_Gogh_-_Still_life_with_Bible_-_Google_Art_Project.jpg
PS: Als ich dieses Bild von van Gogh unlängst eher zufällig in Amsterdam im Van Gogh Museum erblickte, hätte ich wetten können, daß beim Nähertreten Zeile für Zeile präzise erkennbar und vor allem lesbar sein würde. Also ich dann unmittelbar vor dem Bild stand, war ich völlig fertig. Nicht einen einzigen Buchstaben hat van Gogh auf die Leinwand gemalt. Es ist vielmehr ein einziges Spiel mit den Farben.
Aus heutiger Sicht hätten wir auch darauf kommen können. Auf die Geschichte mit den Mobilfunktelefonen. Meine Generation ist groß geworden mit diesen klobigen Apparaten aus Plastik mit den runden Wählscheiben und anrufen hieß damals eben noch: kurbeln kurbeln kurbeln. Vor allem, wenn am anderen Ende der Leitung besetzt war. Und es schien unvorstellbar, daß telefonieren anders funktionieren könnte als mit einer Leitungsverbindung aus Kupferdraht. Heute sind die mobilen Telefone kaum größer als früher eine Zigarettendose, der Akku muss - bei einfachen Geräten - nur gelegentlich mal aufgeladen werden und eine Telefonverbindung gibt es auch mitten im Wald oder an der Pommesbude um die Ecke. Nur das mit den Tarifen ist ein wenig unübersichtlich geworden, aber dabei helfen dann Portale wie eteleon.
In meiner ersten WG wähnten wir uns ganz fortschrittlich und bestellten bei der Deutschen Post – die war nämlich damals dafür zuständig – ein Telefongerät Modell Dallas. Das hatte immerhin eine 6 Meter lange Kabelleitung. Und dem Monteur sagten wir, dass die Telefondose etwa in der Mitte des Flures positioniert werden solle. Und der war ganze 14 Meter lang. Je nach dem, wer gerade einen dringenden Anruf erwartete, wurde das Telefon in die eine oder in die andere Richtung des Flures gezogen. Meistens jedoch thronte es auf einem Stühlchen vor dem Wohnzimmereingang. Das Kabel reichte auch in die Küche und auf die Terrasse, nicht aber jedoch in mein Zimmer oder das von Bettina. Es dauerte ein paar Jahre, bis wir dahinter kamen, dass wir das Kabel auch verlängern konnten.
Wenn wir dann tagsüber oder abends unterwegs waren, waren wir eben nicht erreichbar. Ich kann mich noch an die Zettel erinnern, die ich gelegentlich vor meiner Tür fand. Nachrichten, dass jemand angerufen hätte. Die Anrufbeantworterfunktion bei der Post kostete extra und das wollten wir uns nicht leisten. Wir hatten ja Papier und Bleistift. Oder der Anrufer musste es eben später nochmal versuchen. So war das.
Berlin, 11.05.2016
Stefan Schneider
Abbildung: Komfort-Tastentelefon K Fe Ap 381 in weinrot der Deutschen Bundespost, Fabrikat Siemens, Baujahr Oktober 1987. Marketingname "Dallas LX"
Quelle: https://commons.wikimedia.org/wiki/File:1-1111-20051110-K_Fe_Ap_381-DallasLX.jpg
Autor: 1-1111
Oder: Über Sprachgrenzen hinweg Wissen generieren
[Übersetzungsprogramm: Review] Neulich hatte ich mich mit einem Abstract für eine Forschungskonferenz in Kopenhagen beworben. Der Beitrag musste in englischer Sprache eingereicht werden. Das war bisher recht umständlich. In deutscher Sprache vorformulieren, und dann das Ganze übersetzen. Entweder mit Zuhilfenahme eines Wörterbuches, oder mit einem Online-Übersetzungsprogramms. Auch letzteres war mühselig, da ich immer zwischen den Fenstern hin- und herklicken musste. Leider ist mein Englisch nicht so „fluent“, daß mir das leicht fiele. Deshalb schaue ich sicherheitshalber immer wieder nach. Nun gibt es mit Translationscklick eine echte Innovation. Ein Programm, dass einfach auf den Computer heruntergeladen werden kann – und für kleines Geld ist sogar die Vollversion erhältlich. Nun genügt ein Klick auf das Wort (wenn dabei die Alt-Taste gedrückt ist) und schon erscheint die Übersetzung. Für mich war das eine große Hilfe und ich hatte deutlich mehr Spaß an der Arbeit als sonst. Ein sehr schönes Übersetzungsprogramm. Den kleinen Haken an der Sache will ich nicht verschweigen: Bislang funktioniert dieses nützliche Tool nur bei Windows, Menschen, die Linux oder Apple benutzen, haben da noch nichts von. Aber ich bin zuversichtlich, dss die Entwickler auch daran arbeiten werden. Daher mein Fazit: 4,5 von 5 Sternen.
[Löschhölle] Ich weiß gar nicht mehr genau, wann und warum ich begann, mich bei Wikipedia als Autor zu registrieren. Es war wahrscheinlich so ähnlich wie mit Google. Dieses Portal tauchte eines Tages in meinem Leben auf und wurde immer wichtiger. Vermutlich habe ich mich über irgendetwas geärgert und wollte das ändern, oder aber ich habe etwas vermisst und wollte das ergänzen. Wie auch immer, schon bald nach meiner Anmeldung erstellte ich meinen ersten Beitrag und noch bälder sah ich, dass der gelöscht werden sollte. Das war für mich natürlich Alarmstufe rot und ich tat einiges dafür, den Artikel noch weiter auszubauen und außerdem jede Menge Argumente dafür zu finden, warum der Artikel auf jeden Fall zu behalten ist. Aber in dieser Angelegenheit half alles nichts, der Artikel wurde nach ein paar Tagen gelöscht und ich war – stinkend sauer. Diese leidvolle Erfahrung führte dann dazu, dass ich mich in den nächsten Jahren zu einem Spezialisten für die Löschhölle entwickelte und dort beinahe täglich arbeitete. Wenn schon mein erster Artikel gelöscht werden musste, wollte ich ab sofort alles dafür tun, dass wenigstens die Artikel der anderen nicht dieses Schicksal erleiden mussten. Denen, also den löschsüchtigen bornierten Wiki-Honks würde ich es zeigen! Und zwar allen! Und tatsächlich konnte ich einige halbwegs brauchbare Artikel durch ein paar ergänzende Informationen und gute Argumente retten. Einige Löschanträge, das muss ich leider zugeben, waren aber auch vollkommen berechtigt.
[Übersetzungshilfen] Ein neues Feld tat sich mir auf, als ich damit begann, mich für die Ortschaften der Heimat meiner Eltern im früheren Ostpreußen zu interessieren und dafür, sofern noch nicht vorhanden, Wiki-Artikel anzulegen: Braunswalde, Göttkendorf, Süssenthal, Glottau und so weiter. Plötzlich stellte ich fest, dass es ja noch Wikis in anderen Sprachen gibt und daß sich ein Blick in den – in diesem Fall polnischen – Artikel durchaus lohnen konnte. Zwar kann ich mich im Alltag leidlich in polnischer Sprache unterhalten, aber sobald es sich um speziellere Angelegenheiten handelt, geht es nicht ohne Wörterbuch und Übersetzungsprogramm. Das Problem in diesem konkreten Fall ist, daß im deutschen Artikel häufig brauchbare Informationen bis etwa 1945 angegeben sind (weil der Ort bis dahin deutsch war), und für die Zeit nach 1945 ist der polnische Artikel meistens aussagekräftiger (weil der südliche Teil von Ostpreußen ab 1945 zu Polen gehört). Immerhin ist es von Vorteil, dass seit einigen Jahren Wikipedia um eine Funktion erweitert wurde, welche die Existenz der entsprechenden Artikel in den anderen Sprachen, sofern vorhanden, anzeigt. Aber die Inhalte der unterschiedlichen Sprachausgaben wenigstens halbwegs zu vereinheitlichen, dass wird wohl eher eine Aufgabe für die nächste Generation sein. Eine gute Software könnte da maßgeblich helfen.
Berlin, 25.03.2016
Stefan Schneider
[Abbildung] TEAPOT - The Federal Services Incorporated (FSI) guards check passes for all vehicles entering or exiting the Nevada Test Site. 1956
Quelle: https://commons.wikimedia.org/wiki/File:NNSA-NSO-346.jpg