Um Alltagsrassismus und Rechtsextremismus wirksam entgegentreten zu können, bedarf es einer Vernetzung und des Zusammenwirkens verschiedenster Akteure im Gemeinwesen. Die Aufgabe der Netzwerkstelle ist es, Anlaufstelle und Knotenpunkt für die Bürger/innen, für Jugendliche, Gruppen, Initiativen, Schulen, Multiplikator/innen zu sein.
Die Netzwerkstelle führt Projekte, Seminare und Veranstaltungen durch, helfen bei der Verwirklichung von Ideen und Aktionen, vernetzen Akteure und fördern einen Austausch zu den Themen Rassismus und Rechtsextremismus. Insbesondere Stadtteilzentren, Jugendeinrichtungen und Schulen in Pankow sind Kooperationspartner.
[moskito] - Netzwerkstelle gegen Rechtsextremismus, für Demokratie und Vielfalt
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[moskito] - Netzwerkstelle gegen Fremdenfeindlichkeit
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Mit dem strassenfeger beim Gipfel/AlternativGipfel
Bereits im April setzte sich der strassenfeger in einer thematischen Ausgabe mit dem Titel Keine Macht dem G8 ausführlich mit dem G8-Gipfel in Heiligendamm auseinander. Um nicht in der allgemeinen Berichterstattung unterzugehen, hat die Redaktion überlegt, früher als andere dieses Thema zu bearbeiten. Aus den Diskussionen dieser Zeit reifte die Überzeugung, dass wir uns selbst einbringen wollten – friedlich und gewaltfrei. Die Proteste zum Gipfel würden ein Forum vieler Kritiker und alternativ denkender Menschen, Gruppen und Initiativen sein, und es wäre wichtig, das Thema Wohnungsnot und Armut zu thematisieren.
Gefördert durch den Katholischen Fonds und den Paritätischen Wohlfahrtsverband machte sich eine Gruppe von acht Menschen aus der Redaktion, darunter auch Verkaufende vom strassenfeger mit einem Leihwagen auf dem Weg, um sich von Mittwoch bis Freitag am Alternativ-Gipfel zu beteiligen. Die Polizeipräsenz am Ankunftstag der Regierungschefs war – ab Rostock-Laage, dem Flughafen - unglaublich, Spähpanzer waren auf allen Brücken, und dass die Gruppe ohne Kontrollen bis zur Unterkunft in Wilsen durchkam, lag wohl am ehesten an der sehr frühen Abreise aus Berlin.
Die Gruppe konnte in der Scheune eines alternativen Wohnprojektes unterkommen, mit Decke und Schlafsack. Für den Nachmittag war auf der MS Stubnitz, einem Kultur- und Wohn- und Kneipen- und Veranstaltungsschiff im Rostocker Hafen, ein Workshop zusammen mit der Habitat International Coalition angesagt. Hier war auch das Zentrum des ansonsten dezentral organisierten Gegengipfels.
Die Diskussion mit Vertreterinnen von Projekten und Initiativen aus Indien, Frankreich, England, Chile, der Schweiz zeige vergleichbare Erfahrungen im Bemühen, Wohnformen für Wohnungslose und Arme zu sichern. Sei es in Form von Selbsthilfeprojekten, Landkommunen, Hausbesetzungen, Lobbyarbeit oder politischen Initiativen.
Ein spontaner Besuch am Abend im Camp Rostock der Alternativ-Gipfel-Teilnehmer zeigte: Es ist noch sehr viel mehr zu tun, als nur eine Verständigung in Workshops zu suchen. Es ist notwendig, die Kritik auch sichtbar zu machen. Zahlreiche friedliche Straßenblockaden auf dem Weg nach Heiligendamm waren parallel organisiert worden. Aus diesem Grund fuhr die Gruppe am nächsten Tag in das Camp nach Reddelich, um Unterstützung anzubieten. Beeindruckend war der hohe Organisationsgrad – Presse- und Informationszentrum, Kulturzelt, Feldküchen, Werkzeugausgabestellen, an alles, was eine vieltausendköpfige Gruppe braucht, war gedacht. Beeindruckend war die Geschäftigkeit, die friedliche Stimmung.
Unterstützung wurde gebraucht bei einem Protest am Westtor des Heiligendamm-Zauns. Tausende von Menschen waren seit Stunden unterwegs und harrten in der brüllenden Mittagshitze am Zaun aus. Wir boten an, Wasser in Tanks und Stullen für die erschöpften Protestierenden zu liefern. Zur Überraschung der Gruppe gewährte die Polizei dem kleinen Konvoi freie Fahrt bis nahe ans Geschehen, sodass die Fässer nur noch einen Kilometer durch Wald und Feld geschleppt werden mussten. Die Protestierenden zeigten sich dankbar, die Polizei flog mit Hubschraubern neue Einsatzkräfte ein, Wasserwerfer gingen in Position, ständig kamen und gingen neue Menschen, Reporter und Journalisten waren überall, viele Berichte, die die tatsächliche Situation schildern, sind bei Indymedia zu finden.
Nach Ende der Mission war es Zeit, die Wassertanks zurückzubringen, selbst erst mal im Camp Reddelich eine späte Mittagspause einzulegen. Die sichtlich erschöpfte Gruppe beschloss, sich am Abend am Ostseestrand bei Nienhagen eine Erholung zu gönnen. Spätabends traf sich die Gruppe mit Aila von der strassenfger-Kehrseite, die sich wiederum im Rahmen von Inkota, einem ökumenisches Netzwerk von entwicklungspolitischen Basisgruppen, an den Protesten beteiligte. Die Zeit verging mit ersten Einschätzungen und Auswertungen.
Am letzten Tag stand eine Stadtführung der Rockstocker Geschichtswerkstatt durch Rostock auf dem Programm und die Teilnahme an der Abschlusskundgebung. Diese wurde durch ein massives, völlig unnötig großes Polizeiaufgebot gestört, sodass die Gruppe beschloss, sich darauf nicht einzulassen und den Heimweg anzutreten.
Fazit: Protest ist hilfreich und gewaltfreier Widerstand, aber nicht um seiner selbst willen, sondern um eine Vernetzung von unten auf den Weg zu bringen, weil alle Menschen gefordert sind, Verantwortung zu übernehmen für diesen Globus. Verantwortung ist nicht mehr delegierbar. Das war ein wichtiger Ertrag der Rostockfahrt. Der nächste G8-Gipfel findet 2008 in der Stadt Toyako auf der japanischen Insel Hokkaido in Japan statt – der Alternativgipfel dazu auch. Hoffentlich mit Beteiligung vom strassenfeger.
Stefan Schneider
weitere G 8-Protest – Impressionen
Hey Jana,
Rostock. Überwältigend. Solidarität. Wir haben Wasser und Brote an die „Front" gefahren, Stefan mit voller Power voran, wir anderen mit voller Power geschoben. Widerstand ist da, Alternativen sind da, Kraft ist da. Im Protestcamp Reddelich Schaltzentrale, fünf Küchen („the revolution is vegan" stand da in einem Protestcamp an exponierter Stelle in roten Lettern auf schwarzem Grund. Natürlich. Das ist Revolutions-Blah-Blah, wer sich damit aufhält, ist jung oder verbohrt oder beides!) Und so’n paar autonome Allesrichtigmacher und trockenmiese Intoleranties gibt’s halt immer auch mal wieder, hat sich im Laufe der Jahre nicht geändert. Aber viel wichtiger: Der Wunsch nach Veränderung, dass wirklich etwas passiert, wird von vielen Millionen auf dieser Welt getragen, die Koordination, alle zusammenführen, am selben Strang in die gleiche Richtung ziehen, das wär’s.
Vor Ort war letztendlich klar, dass die Alternative zum Status quo da ist, nur ’ne gewaltsame Revolution isses mitnichten. Wie gesagt, die Solidarität untereinander war so stark, die war greifbar, ein überwältigendes Körpergefühl. Als klar war, dass wir die Brote vor Ort geschleppt haben und das Wasser hundertliterweise, spürte man diese tiefe Dankbarkeit, diesen Respekt, ein ganz starkes Wir-Gefühl. Ich trau es mir ja gar nicht so richtig zu sagen, aber ich war den Tränen des Glücks mehr als einmal nahe.
Der Ausdruck, „einmal im Leben etwas Sinnvolles getan zu haben, einmal wirklich gebraucht zu werden", kommt dem sehr nahe, auch wenn es natürlich übertrieben ist. Aber Du weißt sicher, wat ich meine. Oder?
L.D.
Die Leute von „Deine Stimme gegen Armut“ haben zur Pressekonferenz geladen.
Die Stuhlreihen im vornehmen Pressesaal füllen sich langsam. Fernsehteams bauen ihre Kameras auf. Schweißflecken bedecken ihre Rücken. Schräg vor mir bemerke ich Wim Wenders. Auch anderen ist er aufgefallen. Sie fragen ihn, ob sie ihn fotografieren dürfen. Ein persönliches Bild aufs Handy. Es scheint ihm zu gefallen. Inzwischen sind alle Stühle im Raum besetzt. Plötzlich Stille. Dann bricht das Blitzlichtgewitter los. Und da sitzen sie: Bono, Geldof und Grönemeyer, flankiert rechts und links von Vertretern aus afrikanischen Ländern. Auch Mohammed Yunus, Friedensnobelpreisträger aus Bangladesch ist da. Alle geben ein kurzes Statement ab und appellieren an die Politiker der G8, ihre Zusagen von Gleneagles einzuhalten. „Wenn Du als normaler Bürger einen Vertrag brichst, kannst du deswegen ins Gefängnis kommen. Die Regierungen der G8-Länder aber kommen damit durch“, kritisiert Bono. Kumi Naidoo, Sprecher des „Global Call to Action Against Poverty“ (GCAP) pflichtet ihm bei: „Die reichen Staaten machten sich der unterlassenen Hilfeleistung schuldig“, sagt er, „in Afrika passiere ein „passiver Genozid“.“ Herbert Grönemeyer erklärt die Absicht des Konzerts: „Wir wollen Druck machen. Frau Merkel kann etwas Druck vertragen.“ Und: „Wir sind Trommler. Wir gehen raus und trommeln. Wir trommeln solange, bis es nervt.“ Nochmal Blitzlichtgewitter und Sicherheitsleute, die zur Ordnung mahnen. Dann ist die Veranstaltung beendet.
Zurück bleibt die Frage der Nachhaltigkeit. Man stelle sich vor, die 80 000, die heute zum Konzert kommen, würden ihre Stimme über den Tag hinaus erheben. Jeder auf seine Weise. Für eine gerechtere Welt. Man stelle sich auch vor, die Medienvertreter würden mit derselben Unerbittlichkeit und Hartnäckigkeit, mit der sie berühmte Leute fotografieren, gegen Armut kämpfen! Es gäbe Anlass zur Hoffnung.
J.H.
Hey Henning,
die viel zitierte Vibration war selbst für einen Ungläubigen, Spirituelles verachtenden, praktisch plastisch greifbar. Unsereins (Alt)punkhippiewasauchimmer hat ja irgendwann schon resigniert, aber jezze weiß ich, was muss und dass es dort draußen richtig viele Leut’s gibt, die Leben wollen für alle und och wat tun! Tja, mit 43 die Welt neu entdecken, was es aber auch alles gibt. Übernachtet haben wir auf einem Hippiebauernhof mit Plumpsklo im Hochstand, konnst’e beim Scheißen übers Feld sehn. Genial. Und die selbst ernannten Chefs dieser Welt outeten sich in Heiligendamm einmal mehr, als das, was sie sind: ein Haufen ferngesteuerter Roboter. Gesteuert von denen, die die Einzigartigkeit des Lebens und der Welt mit Füßen treten und alles den Bach runtergehen lassen.
Wir wogten gegen die Wellenbrecher aus Fleisch und Blut.
Ich schüttelte den Kopf gegen die nachstellende Verdächtigung klappernder Rüstungen von Rittern der traurigen Gestalt. Das Herz blieb mir stehen, als ich im Fernsehen das Entern eines Blockade brechenden Schlauchbootes sah. Der Außenbordmotor hätte ein Fleischwolf werden können. Ich achtete nicht auf die Flagge der aggressiven Verteidiger der Verbotszone. Dass es eine amerikanische war, machte mir klar: Die Polizei schützte uns vor den Konsequenzen eines Eindringens in die Todeszone, den Nahbereich des Stellvertreters des amerikanischen Volkes. Ein Angriff auf das im Präsidenten zweiäugig verkörperte Volk bedeutete ein Angriff auf die USA, die sich vorherschlagend gegen Beschädigung verteidigt. Wir waren friedlich und fielen nicht auf, aber wir verstärkten den gemeinnützigen Ungehorsam solidarisch. Und auf dem Feindbild erscheinen keine Menschen, sondern Anklagen gegen die gewählten Könige auf Zeit, die die Menschheit dem Völker erwählenden Gott opfern.
H.B.
Was fehlte: die Innenpolitik!
Das Reden darüber, dass Armut im eigenen Land stattfindet. Denn solange man vergisst, dass Armut an der Nachbarstür beginnt, dass der nette alte Mann, den man mit Hund morgens trifft, wenn man zur Arbeit fährt, nicht weiß, wie er den Monat überlebt, dass Tausende im Jobcenter gedemütigt werden jeden Tag, dann ist man nicht auf der Seite der Realität. Dann bleibt das Mitleid mit den Sterbenden in den sogenannten Entwicklungsländern ein neoimperialistischer Zeitvertreib derer, die noch genug haben in dieser unserer Welt.
D.G.
Go. Stop. Run. – Großpuppen für Heiligendamm!
Rückblick auf Workshops zum G8-Gipfel
Ein kleines Ostseestädtchen nahe Rostock stand für einige Tage im Mittelpunkt der Aufmerksamkeit der Weltöffentlichkeit – die Rede ist von Heiligendamm, Ort des G8-Gipfels.
Bereits im Vorfeld haben verschiedene Workshops zur Vorbereitung der Proteste gegen das Treffen der Acht stattgefunden, so konnte man zum Beispiel im Görlitzer Park in einer Blockade-Übung den Ernstfall proben oder an Workshops zum Bau von Großpuppen für die Demonstrationen in Rostock teilnehmen.
Großpuppen haben sich bereits in Nord- und Südamerika als eindrucksvolles und aufmerksamkeitsförderndes Mittel herausgestellt und werden nun auch immer mehr in Deutschland etabliert (kehrseite berichtete in der sf-Ausgabe 6 „Arsch hoch, Hut ab“, März/2007 auf Seite 16). Allein zum G8-Gipfel sorgten an die 100 Großpuppen bei den Demonstrationen in und um Rostock für Beachtung und Interesse.
Meine erste Begegnung mit den Großpuppen fand in einem Workshop in Berlin statt. Nicht nur, dass ich zur damaligen Zeit kaum etwas über die Hintergründe des G8-Gipfels wusste, nein, mir war auch nicht ganz klar, was mit den vielen Materialien, zu denen Dinge wie Fahrradschläuche und Hasendraht gehörten, geschehen soll. Auch war mir nicht bewusst, in welchen Dimensionen man beim Bau solcher Puppen denken muss.
Die Einführung blieb recht knapp. Es wurden nur einige, grundlegende Techniken vermittelt. Wichtiger war es den Veranstaltern einen Input zur politischen Relevanz des G8-Gipfels zu liefern und dass die Figuren, die in diesen Workshops entstehen sollten, eine leicht verständliche Aussage transportieren sollten. Daher wurde auf die Entwicklung der Ideen enorm viel Wert gelegt.
Die Puppen an sich wurden in Teamwork realisiert; zumeist arbeiteten zwei bis drei Leute an der technischen Umsetzung einer Idee. Zwei Tage waren dafür angedacht, was in den meisten Fällen etwas zu knapp bemessen war. Dennoch: Die Ergebnisse waren für die kurze Vorbereitungs- und Umsetzungszeit enorm, wie man auf dem Foto erahnen kann. Zusammen mit meinem kehrseiten-Kollegen Marcel habe ich einen Phönix kreiert. Unser Phönix steht für die landlosen Kleinbauern, die sich gegen die Ungerechtigkeit der Politik des G8-Gipfels auflehnen.
Kritisch anzumerken ist, dass die Organisationen, die am Berliner Workshop teilnahmen, sehr unter sich blieben. Mein zweiter Workshop in Rostock, der von INKOTA2) organisiert wurde, war dagegen schon viel kommunikativer, weil wir stets gemeinsam aßen und teilweise zur Übernachtung in den gleichen Unterkünften untergebracht waren.
Die Workshops hielten sich stets die Waage zwischen ernsthafter Arbeit für die Demonstrationen gegen G8 und Spaß an der Arbeit gemeinsam mit anderen Engagierten. Mein Fazit aus den Workshops ist: Kreativer Straßenprotest – Straßentheater, Kunstaktionen und insbesondere Großpuppen - sollte als Möglichkeit neben den gängigen Protestarten stärker etabliert werden, um auch weniger politisch Interessierte für die Themen des Treffens der Acht zu gewinnen.
Mandy
1) Für weitere Informationen empfiehlt die kehrseite: Go.Stop.Act! Die Kunst des kreativen Straßenprotestes. von Marc Amann. Trotzdem-Verlag 2004
2) ökumenisches Netzwerk von entwicklungspolitischen Basisgruppen, Weltläden, Kirchengemeinden und Einzelengagierten
Kampagne Noteingang Berlin
Im November 2000 wurde die Kampagne Noteingang – in Anlehnung an eine Brandenburger Initiative – in Berlin von Bündnis 90 / Die Grünen mit dem Gesamtverband des Einzelhandels Berlin (GdE), dem Internationalen Bund (IB) – Freier Träger der Jugend-, Sozial- und Bildungsarbeit e.V., dem Türkischen Bund Berlin Brandenburg e.V., der Vereinigung Türkischer Reiseagenturen Berlin (BETÜSAB) sowie des Berliner Landesverbandes der SPD am 24.11.2000 als gemeinsame Aktion gegen Fremdenfeindlichkeit und Rassismus gestartet.
Der Aufkleber
Was ist Sinn und Ziel der Berliner “Kampagne Noteingang”?
Die Kampagne Noteingang ist sicherlich nicht die eine Maßnahme, mit der sich das Problem der rechtsextremen und rassistischen Gewalt schnell und komplett beseitigen ließe. Solch eine Maßnahme gibt es nicht. Sie ist aber eine Initiative, die sich bestimmter Teilprobleme annimmt und den Bürgerinnen und Bürgern in Berlin eine Möglichkeit bietet, sich gegen den Rechtsextremismus zu positionieren. Das Symbol, der leuchtendrote Aufkleber mit der Aufschrift “Wir bieten Schutz vor fremdenfeindlichen Übergriffen”, erfüllt dabei mehrere Funktionen:
- Sensibilisierung für das Problem der Fremdenfeindlichkeit in Berlin
Viele Menschen in Berlin wollen das Problem der Fremdenfeindlichkeit und der rassistischen Gewalt in ihrer Stadt nicht wahrhaben. Man verdrängt entweder das Problem oder verweist auf Brandenburg oder andere Gegenden, wo ja ‚alles viel schlimmer‘ sei. Das mag verständlich sein, ist aber gefährlich. Die meisten deutschen Mitbürgerinnen und Mitbürger bekommen diese Probleme nur über die Medien und das Fernsehen mit, selten aus eigener Erfahrung. Der Aufkleber, wenn er häufig genug im Stadtbild auftaucht, soll den Leuten bewusst machen, dass das Problem auch in ihrem unmittelbaren Lebensumfeld präsent ist. Das mag schmerzlich sein, ist aber nötig. Nur wenn sich die Menschen des Problems als solchem – und als ein Problem ihrer eigenen Umgebung - bewusst sind, kann die Bereitschaft zur Initiative entstehen. - Herstellung von Gesprächsbedarf und –bereitschaft
Die Auseinandersetzung mit dem Problem setzt eine Anerkennung der Situation als Problem voraus. Wenn dies geschehen ist, werden die Menschen über das Thema sprechen. Die Gespräche beginnen bereits in der Belegschaft der Betriebe, die sich entschließen, den Aufkleber anzubringen, Gespräche finden zwischen Kundinnen und Kunden sowie den Angestellten der Läden und Betriebe, der Behörden und Organisationen statt, die sich beteiligen. Diese Gespräche werden sicherlich vollkommen unterschiedlich verlaufen, je nach Situation und Ausgangslage. Dies ist ein wesentlicher Unterschied zur Aktion Noteingang in Brandenburg, wo die Gespräche zwischen Initiative und Ladenbesitzerinnen und Ladenbesitzern im Mittelpunkt standen. Dies ist in Berlin nicht so. Von uns werden diese Gespräche an Aktionstagen, bei denen wir Ladenbesitzer und Passanten ansprechen und über die Kampagne informieren, angestoßen. - Förderung des subjektiven Sicherheitsgefühls bedrohter Gruppen
Je mehr Aufkleber in Berlin hängen, um so größer wird das Sicherheitsgefühl von Angehörigen potentiell bedrohter Opfergruppen, also aller Menschen, die nicht in das beschränkte Weltbild der Rechtsextremisten und Rassisten passen, da sie wissen, wo sie Hilfe finden können. Doch nicht erst im Ernstfall ist das Schild wichtig; es symbolisiert auch im Alltag Solidarität mit den bedrohten Gruppen.
Angst macht Opfer. Wenn wir diese Angst verringern können, betreiben wir Opferprävention. - Verunsicherung rechtsextremer Gesinnungsträger und potentieller Gewalttäter
Im Gegenzug wird rechtsextremen/rassistischen Gewalttätern signalisiert, dass sie nicht auf das stillschweigende Einverständnis einer gesellschaftlichen Mehrheit bauen können, sondern dass ihr Verhalten abgelehnt wird. Es gilt, die ‚Schweigende Masse‘ dazu zu bewegen, Stellung zu beziehen. Der Aufkleber bietet eine Möglichkeit dazu, ebenso wie der “Pin” (s.u.). - Symbolische Solidarisierung mit den Opfern rechtsextremer / rassistischer Gewalt
Der Aufkleber soll zudem eine Solidarität mit den Opfern signalisieren, ein “so geht es nicht weiter” zum Ausdruck bringen. Gewaltopfer brauchen Solidarität, sie dürfen nicht alleine gelassen werden mit dem Gefühl, die Menschen in diesem Land interessierten sich nicht für ihr Schicksal. Es muss immer wieder klargemacht werden, dass rassistisch motivierte Überfälle einen schwer wiegenden und nicht hinnehmbaren Angriff auf die Menschenwürde darstellen.
Der Noteingangs-Pin
Der Pin ist ein kleiner Anstecker in Form des Männchens, das auf dem Aufkleber dargestellt ist. Man trägt ihn, um seine Einstellung deutlich zu machen und Solidarität zu demonstrieren, ähnlich dem “Red Ribbon”, der roten AIDS-Schleife. Des Weiteren ist er auch ein Zeichen dafür, dass die jeweilige Person in der konkreten Gefahren- und Bedrohungssituation Hilfe leistet (auch wenn es “nur” das Rufen der Polizei oder das Ziehen der Notbremse ist).
Vor allen Dingen jedoch bietet der Pin Privatpersonen die Möglichkeit – im Gegensatz zu den Aufklebern, die ja meist Geschäftsinhabern vorbehalten sind – Stellung zu beziehen und Gesicht zu zeigen.
Im Laufe der Kampagne konnten eine ganze Reihe von UnterstützerInnen gewonnen werden. Eine stets aktualisierte Liste findet sich im Internet auf unserer Homepage www.kampagne-noteingang-berlin.de . Hier seien nur einige wenige genannt: BVG, S-Bahn Berlin GmbH, die Berliner Apothekerkammer, die Evangelische Kirche in Berlin und Brandenburg, die SPD, Bezirksämter mehrerer Berliner Bezirke, die Humboldt-Universität Berlin, das Studentenwerk sowie eine ständig steigende Anzahl von Berliner Schulen.
Wie beteiligt man sich an der Kampagne Noteingang?
Sämtliches Infomaterial, den Pressespiegel, die Aufkleber sowie den Pin und die “Grüne Karte Nr.1” kann man über die Kampagne gegen Rechtsextremismus bei der Berliner Landesgeschäftsstelle von Bündnis 90 / Die Grünen beziehen: Oranienstrasse 25, 10999 Berlin, Tel: 615 005-30, -72, Fax: 615 005 66. Bestellungen können Sie zudem per Internet unter www.kampagne-noteingang-berlin.de tätigen. Aufkleber u.a. können aber auch während der Bürozeiten der Landesgeschäftsstelle (Mo-Fr 11:00 – 16:00) abgeholt werden. Aufkleber (Euro 0,24), Pins (Euro 0,25) und die “Grüne Karte Nr.1-3” (je Euro 0,15) werden zum Selbstkostenpreis abgerechnet, zzgl. Versandkosten. Die Bezahlung erfolgt per Rechnung oder (bei Selbstabholung) durch Barzahlung.
Wie können Sie sich in einer Bedrohungssituation verhalten?
- Vorbereiten!
Bereiten Sie sich auf mögliche Bedrohungssituationen – egal, ob Sie nun Opfer oder Zeuge sind - innerlich vor. Spielen Sie Situationen für sich allein und im Gespräch mit anderen durch. Es ist gut, auf Eingeübtes zurückgreifen zu können, da alles relativ schnell ablaufen wird. - Ruhig bleiben!
Machen Sie möglichst keine hastigen Bewegungen; ein sich bedroht fühlender Angreifer kann mitunter noch brutaler werden. Durch ruhiges Auftreten Ihrerseits entziehen Sie dem anderen den Angriffspunkt. - Nicht drohen oder beleidigen!
Machen Sie keine geringschätzigen Äußerungen über den Angreifer. Kritisieren Sie sein Verhalten, aber werten Sie ihn nicht persönlich ab. - Gehen Sie die Ihnen zugewiesene Opferrolle nicht ein!
Wenn Sie angegriffen werden, flehen Sie nicht und verhalten Sie sich nicht unterwürfig. Der Täter könnte sich hierdurch unter Umständen als Herr der Situation bestätigt fühlen. Ergreifen Sie die Initiative, agieren Sie! - Halten Sie Kontakt (Reden-Zuhören-Blickkontakt)!
Sagen Sie irgend etwas. Ein stummes, dumpfes “Etwas” mag ein leichteres Opfer sein als ein Mensch, der sich bemerkbar macht. Hören Sie zu, was der Angreifer sagt. Aus seinen Antworten können Sie Ihre nächsten Schritte ableiten. - Holen Sie sich Hilfe!
Sprechen Sie nicht eine breite Masse an, sondern einzelne Personen. Viele sind bereit zu helfen, wenn ein anderer den ersten Schritt tut oder sie persönlich angesprochen werden. - Aktiv werden!
Falls Sie Zeug/in von Gewalt werden, zeigen Sie, daß es Ihnen nicht gleichgültig ist, was passiert. Ein einziger kleiner Schritt, ein kurzes Ansprechen, jede Handlung verändert die Situation und könnte andere dazu bringen, ebenfalls einzugreifen.
Schauen Sie nicht weg! Denn genau damit rechnet der Täter. - Vermeiden Sie möglichst jeglichen Körperkontakt!
Wenn Sie jemandem zu Hilfe kommen, vermeiden Sie es – so weit es geht -, den Angreifer anzufassen. Körperkontakt ist in der Regel eine Grenzüberschreitung, die zu weiteren Aggressionen führt. Wenn möglich, nehmen Sie lieber direkten Kontakt zu dem Opfer auf. - Risiken abwägen!
Falls direktes Eingreifen zu gefährlich ist, bzw. Sie sich aus irgendwelchen Gründen nicht dazu in der Lage sehe, holen Sie in jedem Fall so schnell wie möglich Hilfe herbei, alarmieren Sie umgehend die Polizei. Ein Handy hat inzwischen fast jeder, und die 110 ist auch hier kostenfrei! Tragen Sie zur Aufklärung der Tat bei!
Typische Vorurteile und deren Gegenargumente: eine kleine Hilfe für Gesprächssituationen
Ich habe Angst, durch das Anbringen des Aufklebers (Tragen des PIN) selbst zur Zielscheibe rassistischer Gewalt zu werden.
- Dies ist zwar unwahrscheinlich, ganz auszuschließen ist es jedoch leider nicht. Allerdings zeigt diese Befürchtung, daß sich noch viel mehr Menschen und Ladenbesitzer daran beteiligen müssen. Denn je mehr mitmachen, desto breiter ist die Front gegen solche Übergriffe. Irgendwo muß der Anfang ja gemacht werden – wenn alle wegsehen oder Angst haben, wird es so weitergehen oder noch schlimmer werden!
Das ist doch ganz selbstverständlich, daß ich einem Menschen in Not helfe. Dafür brauche ich keinen Aufkleber oder PIN.
- Sie vielleicht nicht. Aber es ist auch ein Zeichen für die Anderen, daß Sie etwas tun. Und besonders der PIN soll ja gerade die Solidarisierung untereinander in Gefahrensituationen fördern, da Sie ja nie wirkliche wissen können, welchen Standpunkt ihr Gegenüber oder Banknachbar hat.
Wir haben hier in meinem Bezirk diese Probleme nicht. Daher brauche ich auch keinen Aufkleber an meiner Tür.
- Dies ist Augenwischerei. Denn überall existiert das Problem rassistischer Übergriffe – es geht ja nicht nur um die rechtsextremen Angriffe, sondern um sämtliche Bedrohungssituationen.
Ich möchte als Ladenbesitzer überparteilich bleiben. Außerdem fürchte ich, durch den Aufkleber meine Kundschaft zu verlieren.
- Der Aufkleber ist bewußt neutral gehalten, eben da es nicht vordergründig um eine Partei-Aktion geht, sondern um Hilfe für bedrohte Menschen.
HILFE Notfalltelefone
Polizeiliche Dienststellen
Polizei 110
Politisch Motivierte Straßengewalt / Berliner Polizei 030/ 691 11 83
BGS (Hotline des Bundesgrenzschutzes) 01805-23 45 66
Adressen antirassistische Initiativen und Notfalltelefone
Amadeu-Antonio-Stiftung Mo-Fr 10-18 Uhr; 030/ 240 45 450
RAA (Regionale Arbeitsstellen für Ausländerfragen, Jugendarbeit und Schule e.V.)
Mo-Fr 8:30-17 Uhr; 030/ 240 45 100
ADB (Antidiskriminierungsbüro): Mo 10-13 Uhr, Di + Do 12-19 Uhr ; 030/ 204 25 11
Antirassistische Initiative, tagsüber 030/ 785 72 81
Kampagne Noteingang Berlin 030/ 615 005-30/-72
Potsdamer Verein Opferperspektive e.V. (unterstützt Opfer rechtsextremer Gewalt)
0171/ 193 56 69
Juristische Unterstützung
Geschäftsstelle des deutschen Anwaltvereins (stellt und vermittelt kostenlose Rechtshilfe)
030/ 726 15 20
Nachtrag: Stefan Schneider unterstützt diese Kampagne ebenfalls.
4. Am 17. Juni 2007 wird eine Matinée "Lesen über Armut" veranstaltet. Initiator/innen sind die Initiative Anders Arbeiten oder gar nicht, Teilhabe e.V.
Gesucht werden erwerbslose und erwerbstätige Frauen und Männer mit niedrigen Sozial- oder Erwerbseinkommen und Armutserfahrung, die selbst Texte über ihre Wahrnehmungen von Armut schreiben und diese Texte auch vortragen werden. Bei gewünschter Anonymität kann man die Texte auch vorlesen lassen. Der Vortrag soll einen Zeitraum von 5 Minuten nicht überschreiten, das entspricht einer Seite im PC bzw. 46 Zeilen in Times New Roman 12. Die zehn besten Geschichten kommen zur Lesung.
Die Matinée wird von Musiker/innen sowie einer Performance zum Thema Armut begleitet.
Es wird gebeten alle Geschichten nach den oben erwähnten Maßgaben bis zum 25. Mai 2007 bei: Anne Allex, Straße der Pariser Kommune 43, 10243 Berlin postalisch oder besser per Email an