Maßgeblich für die Ausrufung des Freistaates Bayern und die Abschaffung der Monarchie war eine Kundgebung am 7. November 1918 an der Bavaria-Statue an der Ruhmeshalle am Rande der Theresienwiese, zu der die Unabhängige Sozialdemokratische Partei Deutschlands (USPD) aufgerufen hatte und deren Hauptredner der Journalist Kurt Eisner war. Am selben Abend wurde in den Sälen des Mathäser in der Nähe vom Hauptbahnhof ein Arbeiter- und Soldatenrat gegründet. Kurt Eisner wird zum Ministerpräsidenten gewählt und die Republik ausgerufen.
Von diesen Ereignissen gibt es Foto, das die Versammlung am 7. November 1918 an der Bavaria zeigt. Es wurde von Heinrich Hoffmann gemacht. Hoffmann ist NSDAP-Mitglied der ersten Stunde, bereits im Januar 1920 tritt er in die Partei an, ab 1929 macht er NSDAP-Politik im Münchner Stadtrat. 1932 gründet er den Verlag Heinrich Hoffmann Verlag national-sozialistische Bilder und wird schon bald Millionär aufgrund von Urheberrechtszahlungen an seinen Verlag. Er bedient sich persönlich am NS-Kunstraub und beteiligt sich im August 1937 maßgeblich an der Beschlagnahmung von Kunstwerken, die später als "Entartete Kunst" gezeigt worden. Einer größeren Öffentlichkeit bekannt geworden ist Hoffmann aber als Leibfotograf Hitlers (siehe Foto hier). Nach Ende des nationalsozialistischen Terrors wird er zu vier Jahren Haft verurteilt, sein Vermögen wird eingezogen.
Dieses Foto von der Revolutionären Versammlung am 7. November auf der Theresienwiese in München ist im Internet mit der URL http://www.historisches-lexikon-bayerns.de/document/artikel_44332_bilder_value_3_revolution2.jpg zu finden. Es ist Bestandteil eines Artikels zum Stichwort Revolution 1918/1919 auf der Seite des Historischen Lexikons Bayern. Diese wiederum wird von der Bayerischen Landesbibliothek Online (BLO) betrieben, welche wiederum ein Projekt der Bayerischen Staatsbibliothek zu sein scheint. Ich frage dort nach, ob ich dieses Foto für meine Webseite zur Revolution & Münchner Räterepublik verwenden darf.
Nach einigem Hin- und Her erhalte ich vom Bildarchiv der Bayerischen Staatsbibliothek die Auskunft, "dass für die Präsentation im Internet (ein Jahr) neben dem Bearbeitungsentgelt von Euro 10 ein Nutzungsentgelt von Euro 100 erhoben wird." (siehe auch: Nutzungsbedingungen). Das hat mich verblüfft. Ich wäre bereit gewesen, die Bayerische Staatsbibliothek mit einem Betrag von 10 Euro zu unterstützen, denn ich sehe ja sein, dass das Sichten, Katalogisieren, Digitalisieren und Online – Stellen von scannen von Fotos aufwändig ist und durch eine Gebühr entschädigt werden soll. Dass aber die Bayerische Staatsbibliothek mit Fotos eines verurteilen Nazi-Verbrechers Geld verdienen will, ist für meine Begriffe geschmacklos und spricht für eine wenig distanzierte Haltung der Staatsbibliothek gegenüber diesen Verbrechern.
Ich lese gerade, dass der Deutsche Staat - mit Ausnahme einer Auswahl von Bildern, die das Deutsche Bundesarchiv im Jahr 2008 freigegeben hat - noch bis zum 1. Jan 2028 die Copyrightrechte an dem Bildmaterial besitzt - bis genau 70 Jahre nach seinem Tod. Ich denke mir, irgendwie ist der deutsche Staat schon Rechtsnachfolger dieser ganzen Nazi-Verbrecher, um das mal völlig unjuristisch auszudrücken.
Berlin, 23.06.2012
Stefan Schneider
Abbildung: http://commons.wikimedia.org/wiki/File:Bundesarchiv_Bild_102-13774,_Adolf_Hitler.jpg?uselang=de
Bedarf. Meinen Führerschein machte ich recht spät mit dreiundzwanzig. Das lang nicht zuletzt daran, dass ich zweimal durch die praktische Prüfung gerasselt bin und dann keine Lust mehr hatte. Und nachdem ich nach gut einem Jahr wieder Geld hatte, musste ich nochmals von vorne anfangen. Auch gehöre ich einer Generation an, die dem motorisierten Individualverkehr ohnehin kritisch gegenüber steht. Aber die Kompetenz, so ein Gerät fahren zu dürfen, wollte ich jedenfalls im Leben erworben haben. Weil ich dachte, es wäre für meine Unabhängigkeit ganz gut, wenn ich mich bei Bedarf hinter ein Steuer setzen könnte.
Befreit. Keine vier Wochen später kaufte ich mir für 500 Mark einen Renault 4. Das Auto war preisgünstig, praktisch und mit Ganzjahresreifen ausgestattet (eine Winterreifenpflicht gab es damals noch nicht) und so sammelte ich meine ersten Fahrerfahrungen. Zusammen mit meiner Freundin plante ich einen Urlaub in Spanien. Es war mehr oder weniger ein Autofahrurlaub. Ich fand es so großartig, selbst und unabhängig überall hin fahren zu können, wo ich wollte, dass ich sie kaum an das Steuer ließ. Es war wie eine Sucht. Wenn wir irgendwo länger an einem Ort wahren, wurde ich spätestens am Folgetag unruhig und wollte weiter. Eine richtige Kilometerfresserei oder anders gesagt, mehr oder weniger eine Spanienrundfahrt. Vom Norden durch das Baskenland bis nach Santiago de Compostella, dann über Madrid und Toledo in den Süden nach Huelva und Sevilla. Dann über Alicante nach Granada. Und irgendwo dort in der Gegend passierte es: Die Straße war hügelig, aber übersichtlich, jedenfalls dachte ich das so. Nur bei einer Bodenwelle sah ich plötzlich mit Schreck, dass die Straße eine scharfe Linkskurve machte. Der schnelle Tritt in die Bremse nützte nicht mehr viel. Der Wagen rutschte über die Welle hinweg in abschüssiges Gelände und kurz vor einem sumpfigen See zum Stehen. Ich riss an der Handbremse und riss sie aus. Mit zitterndem Knie drückte ich die Fußbremse und merkte, wenn ich sie loslasse, rollt der Wagen ins Wasser. Ich instruierte meine Freundin, auszusteigen und Hilfe zu holen. Nach 10 Minuten kam ein Traktor und der zog mich mit dem Abschleppseil aus dem Malheur. Eine Werkstatt in der nächstgelegenen Ortschaft konnte das ausgerissene Bremszugseil am nächsten Tag wieder in Ordnung bringen - ohne funktionierende Handbremse wäre ich auch nicht weiter gefahren – und seit diesem Tag weiß ich, dass frene mano das spanische Wort für Handbremse ist.
Bedacht. Wenn ich heute ein Auto fahre, achte ich sehr viel mehr auf meine Sicherheit, und neben der technischen Funktionsfähigkeit spielt auch die Frage der richtigen Reifen eine große Rolle. Und da ich auf allen möglichen, und auch sehr anspruchsvollen Strecken unterwegs bin, wäre möglicherweise der Runflat eine ganz brauchbare Wahl. Mit dem Renault 4 bin ich dann in gut zweieinhalb Jahren gute vierzig tausend Kilometer gefahren – was schon eine ordentliche Leistung ist. Dennoch habe ich das Auto im Jahr 1991 wieder abgeschafft, weil es sich im Alltag als unpraktisch erwiesen hat. Vor der Haustüre in der Hauptstraße in Schöneberg habe ich abends keinen Parkplatz gefunden (da war ja auch eine Busspur), sondern musste in der Regel eine gute halbe Stunde die umliegenden Nebenstraße nach einer Parklücke absuchen. Und in der Gegend um die Hochschule der Künste, wo ich seinerzeit arbeitete, war es tagsüber nicht besser. Mit dem Fahrrad war ich einfach schneller.
Berlin, 23.06.2012
Stefan Schneider
Abbildung: Renault 4, Quelle: WikiCommons
Fummeln. Meine erste Freundin hatte ich mit fünfzehn. Ich traf mich damals immer mit Claudia und Regina, und ich fand Claudia ja total super. Aber die interessierte sich nicht so für mich, dafür aber Regina. Und auch Regina war irgendwie klasse. Sie war schon 16, ziemlich politisch und trug immer ein Palästinensertuch. Ihre Gesichtszüge waren herb und doch irgendwie schön. Nach einem Konzert von DAF im Temporal gingen wir zusammen in Richtung U-Bahnhof, und auf irgendeiner Betonbank auf dem Weg zum U-Bahnhof Gleisdreieck küssten wir uns, das heißt, genauer gesagt, küsste sie mich. Die Beziehung hielt nicht lange. Wir konnten uns weder bei mir noch bei ihr treffen, es war schon Herbst und Geld hatten wir auch nicht. So drückten wir uns immer irgendwo draußen herum und küssten uns, fummelten und froren. Ein paar Wochen später, kurz vor dem Udo Lindenberg Konzert im Metropol sagte sie mir, dass es vorbei ist.
Freiheit. Bis ich dann wieder eine Freundin hatte, vergingen viele Jahre. Ich war inzwischen 19 und sie hieß Claudia-Maria und wohnte in der Alexandrinenstraße. Sie war auch die erste Frau, mit der ich richtigen Sex hatte. Ich erinnere mich noch genau daran, dass sich mein Schwanz vor lauter Geilheit und Aufregung total taub anfühlte und dass mich das ziemlich irritierte. Beim zweiten Mal war es kaum besser. Das Abspritzen war weniger ein Höhepunkt als vielmehr eine Art Druck ablassen. Erst ab dem dritten Mal empfand ich so etwas wie Lust am Miteinander-Schlafen und dann taten wir es ziemlich regelmäßig. Diese Beziehung ging so nach eineinhalb Jahren zu Ende, weil ich das Gefühl hatte, dass mich Claudia-Maria so langsam oder sicher in die Rolle ihres Ernährers und Ehemanns drängen wollte. Wir haben so direkt nie darüber gesprochen, aber es gab immer solche Andeutungen. Obwohl in der Beziehung alles irgendwie in Ordnung war, gefiel mir diese Perspektive nicht. Ich wollte Freiheiten, Freiräume. Warum und wozu, das war mir damals noch nicht bewusst.
Fühlen. Seit jenen Tagen ist viel Zeit vergangen, und weitere Beziehungen folgten. Es waren einige flüchtige Affairen darunter, aber auch einige langjährige Beziehungen. Und darunter waren auch Frauen, von denen ich viel über Sex lernte. Das für mich wichtigste vielleicht ist die Erkenntnis, das Sex eine Art Sprache ist, eine Fortsetzung des Dialogs mit anderen Mitteln. Es geht gar nicht mal um möglichst viele oder möglichst akrobatische Stellungen, und auch nicht unbedingt um alle denkbaren Varianten vom Kuschelsex bis hin zum handfesten Zulangen. Vor allem von Anja habe ich gelernt, dass der Weg oftmals wichtiger ist als das Ziel und dass es darauf ankommt, die Momente zu genießen und sich Zeit zu lassen. Viel Zeit. Das zusammen Schlafen und der Orgasmus sind bestenfalls ein Teil des Ganzen und nicht die alleinige Hauptsache, um die sich alles drehen muss. Es ist eher das Spiel mit den Gefühlen, der Erotik, dem Auf- und Abgeilen und der angenehme Erschöpfung am Schluss.
Fesseln. Es ist übrigens bis heute so, dass ich mich an eine Frau gewöhnen muss. Deshalb erwarte ich vom "ersten Mal" gar nicht so viel und bin eher gespannt, was sich so im Verlauf der Zeit entwickelt. Vielleicht erhalte ich ja in nächster Zeit mal ein diskretes Paket von einem Erotikversand, und da ist dann eine schöne lederne Peitsche, ein lilafarbener Umschnalldildo, viel Fesselkram und jede Menge Vanillesauce drin. Ich denke, ich wäre dann keine 10 Minuten später bei meiner schönen Nachbarin, die ein paar Häuser weiter wohnt, und würde sie zur Rede stellen, was das denn solle. Sie würde natürlich alles leugnen und wir hätten den heftigsten Streit. Aber glücklicherweise habe ich das Paket und den Inhalt ja dabei. und dann ... Seit dem ich gelernt habe, dass ich nicht unbedingt eine Freundin haben muss, geht es mir eigentlich viel besser und das strahle ich wohl auch aus. Deshalb kann ich meine Umgebung viel besser wahr nehmen und Stelle fest, dass es genug Frauen gibt, die mich richtig süß finden. Im Vergleich mit meinem pubertären Stress von vor über 30 Jahren doch ein sehr angenehmes Gefühl, muss ich sagen.
Berlin, 23.06.2012
Abbildung: Egon Schiele: Freundschaft 1913 (Quelle: Wiki Commons)
Verweigerung. Als ich Jugendlicher war und begann, abends eigenständig mit Freunden auszugehen, war McDonald's unter uns verpönt. Das hatte unterschiedliche Gründe. Weil wir die USA als Kriegstreiber Nummer Eins ansahen, wollten wir einen US-Amerikanischen Konzern auf keinen Fall unterstützen. Auch war das Fast-Food aus unserer Sicht kein vernünftiges Essen. Außerdem hatte ich damals meine vegetarische Phase und wollte mit dem Hackklops in den Hamburgern nichts zu tun haben. Ich erinnere mich noch genau an eine chaotische Jugendgruppenfahrt aus dem Jahr 1984, wo wir vor dem Dauerregen auf dem Zeltplatz in eine McDonalds-Filliale geflüchtet. Ich konnte mich dem Gruppendruck schlecht entziehen, und die anderen Gruppenmitglieder, die ja wussten dass ich Vegetarier bin, empfahlen mir, doch einen Cheeseburger zu bestellen. Was ich nicht wußte war, dass auch dieser Fleisch enthielt. Ich aber war hungrig und fühlte mich ehrlich gesagt, ziemlich mies nach diesem Essen.
Verbreitung. Die erste deutsche McDonald's Filiale wurde am 4. Dezember 1971 in der Martin-Luther-Straße im Münchner Stadtteil Obergiesing eröffnet und sie existiert noch heute. Inzwischen gibt es in Deutschland 1.415 Fillialen (Stand 2011), und der durchschnittliche Abstand zwischen zwei Fillialen beträgt in Deutschland etwa 16 km. Jemand, der alle Fillialen in Deutschland wenigstens ein Mal besuchen wollen würde, wäre, selbst wenn er morgens, mittags und abends an einem anderen Standort wäre, beinahe anderthalb Jahre ununterbrochen unterwegs und könnte überall aktuelle Coupons einlösen. Ein Blog zu diesem Thema informiert auch über aktuelle McDonald's Gutscheinaktionen in Österreich und der Schweiz. Und der Gutscheinrabatt auf dieser Seite macht die Besuche noch ein wenig attraktiver. Weltweit gibt es 32.000 Restaurants in mehr als 100 Ländern.
Verständigung. Inzwischen beurteile ich McDonald's nicht mehr so negativ, wie noch vor knapp 30 Jahren, sondern sehe hier eher einen wichtigen Beitrag zur Globalisierung. Menschen, die auf Reisen sind und sich zunächst unsicher fühlen, können erstmal eine McDonald's-Filiale ansteuern und finden dort eine vertraute Umgebung vor. Gerade für Städte- und Rucksackreisende ist die Möglichkeit, sich bei einer Tasse Kaffee in einem geschützten Raum aufhalten zu können, ein wichtiges Element des Reisekomforts. Wichtig sind auch die meistens sauberen Toiletten und das oft angebotene kostenfreie WiFi. Auch hat McDonald als globaler Player gezeigt, dass es sich den regionalen Gepflogenheiten durchaus anpassen kann. So gibt es in Indien zahlreiche vegetarische Angebote und in Israel auch koschere McDonald's-Restaurants.
Vereinigung. McDonald's Restaurants sind die modernen Kirchen an der Schwelle vom zweiten zum dritten Jahrtausend. Sie vereinen die Weltgesellschaft am Altar des Konsums. Statt Brot und Wein werden Cola und Burger dargeboten und das Versprechen von ewiger Jugend zelebriert. Leuchtreklamen und weithin sichtbare Säulen mit dem strahlenden M künden wie Kirchtürme oder Minarette von der neuen Religion. Seid Brüder und Schwestern, kommt zusammen im Namen von M. Und erlebt Euch selbst! - so könnte das Mantra dieser Religion zusammengefasst werden. Und im Unterschied zu anderen Religionen wird nichts weiter verlangt, keine Buße, keine Glaubensbekenntnisse, kein Verzicht, kein Demut. Alle können bleiben, wie sie sind. Das einzige Opfer, das die Gläubigen bringen sollen, ist ihr Geld in immerwährender Wallfahrt.
Berlin, 15.06.2012
Stefan Schneider
Abbildung: http://randomperspective.com/images/mcdonaldschurch.jpg