[Identifikationsobjekte] Bunte Lappen haben seit je her eine gesellschaftliche Funktion in komplexer werdenden Gesellschaften. Insbesondere bei Konflikten mit territorialem Ausmaß wurden Fahnen verwendet, um den einzelnen Kämpfern anzuzeigen, zu welcher Fahne sie gehören und wer den anderen sind. Die einzelnen Kämpfer wurden auf dieses Stück Stoff eingeschworen oder schlichtweg gezwungen. Umgekehrt war das Tuch des Feindes wichtiges Ziel in dem Gemetzel. Wer die Standarte des Feindes in seine Gewalt bringen konnte, gewann meistens auch die Schlacht. Das funktionierte jedenfalls so weit und so lange die Kriegsführung nicht industrialisiert und modernisiert wurde. Als dann später territoriale Staaten gegründet wurden, spielten diese Farbtücher ebenfalls eine wichtige Rolle. Allen Menschen wurde eingebleut, das dieses Tuch mit irgendwelchen Farben und Symbolen darauf etwas wichtiges sei, irgendwas mit Ehre, Stolz und Vaterland. Und dann gibt es so umständliche Zeremonien, an denen diese Stoffe an Stangen hochgezogen werden, damit sie schön im Wind flattern. Dazu spielen dann komisch angezogene Musikkapellen irgendwelche Lieder und Menschen stehen stramm, als hätten sie einen Besen verschluckt. Umgekehrt kommen Leute auf die Idee, solcherart Lappen anzuzünden, weil sie das alles nicht so lustig finden. Und dann gehen Leute gegeneinander los, weil sie sich darüber streiten, welche Farben und Symbole auf diesen Stoffen die Besten sind. Wegen mir müte es das alles gar nicht geben.
[Kommunikationsmittel] Aber auch andere Leute haben Fahnen, zum Beispiel Firmen, Karnevalsvereine oder die Katholische Pfadfinderschaft St. Georg. Dann kann man schon von weitem sehen, was los ist, zum Beispiel wenn man einen Baumarkt sucht oder eine Tankstelle. Am meisten sinnvoll ist der Einsatz von diesem bunten bedruckten Stoff in der Schifffahrt. Vor allem, als es noch kein Handy gab, konnte man sich so von Schiff zu Schiff unterhalten, weil es einfach Festlegungen gab, was die einzelnen Flaggensymbole bedeuten. Berühmt geworden ist das Flaggensignal von Admiral Nelson vor Beginn der Schlacht von Trafalgar im Jahr 1805: England expects that every man will do his duty! Und natürlich gewann die Flotte von Nelson die Schlacht, aber er selbst wurde als toter Mann in einem Faß Rum konserviert nach England gebracht und dort zur Legende befördert.
[Aufsteller] Als bekannt wurde, dass die Europäische Union den Friedensnobelpreis für das 2012 erhält, habe ich mir umgehend eine Flagge bestellt und aus dem Fenster gehängt. Denn wer ist die Europäische Union, wenn nicht wir? Natürlich gibt es bei uns noch enorme Defizite, aber einfach die Idee, das wir in Europa ohne Grenzen und Restriktionen mit unterschiedlichen Sprachen, Geschichten, Kulturen und Traditionen miteinander zusammen leben, das ist ein wichtiger Fakt, auch wenn einige sagen, dass dies nur dem Profit diene. Aber das ließe sich ja ändern. Richtig gehend begeistert war ich, als ich entdeckte, dass es auf dem Portal für Fahnen auch Roll Ups bei Vispronet.de [war: www.vispronet.de/display-systeme/roll-up.html] gibt. Das sind große Plakatflächen, die beliebig bedruckbar und flexibel aufstellbar sind und für Informationen aller Art genutzt werden können. Ich beispielsweise könnte mir gut vorstellen, mit so einem mobilen Aufsteller Werbung für mein Institut zu machen. Es muss ja nicht gleich eine Fahne sein.
Berlin, 12.12.2012
Stefan Schneider
[Abbildung] Nelsons Flaggensignal: England expects that every man will do his duty!,
Quelle: http://www.contemporarysculptor.com/flagsl.jpg
[Sommerregen] An diesen Tag erinnere ich mich noch, als wäre es gestern. Es war ein schöner, warmer sonniger Spätsommertag, ich hatte fleißig gearbeitet und noch viel vor, also beschloss ich, einen kurzen Nachmittagsschlaf zu halten. Nach einer guten Stunde wurde ich wach durch ein paar Regentropfen. "Ach, wie schön,", dachte ich, "so ein Sommerregen ist doch etwas herrliches!" Nach ein paar Sekunden wurde mir klar, dass mit diesem Regen irgendetwas nicht stimmen konnte. Aber was? Es dauerte eine ganze Weile, bis ich erkannte, dass der Regen aus der falschen Ecke kam. Es regnete nicht dort, wo das Fenster war, sondern im Flur. Es regnet im Flur? Sofort sprang ich auf und sah das Malheur. Es regnete im Flur von der Deckenlampe herab. Sofort schaltete ich alle Sicherungen aus, holte Eimer und Handtücher dabei und versuchte, das Schlimmste zu verhindern. Auch im Bad regnete es von der Decke, und es kam immer mehr Wasser. Ich donnerte nach oben und natürlich war die Nachbarin nicht da. Dann alarmierte ich die Nachbarn und die Feuerwehr. Zeitgleich mit der Feuerwehr traf auch die Nachbarin ein: Sie hatte im Restaurant gegenüber etwas gegessen und wunderte sich über den Feuerwehreinsatz in ihrem Haus. Der Schlauch von der Waschmaschine hatte sich gelöst und das fließende Wasser hatte erst ihr Bad geflutet und sich dann den Weg in meine Wohnung gebahnt. Das Wasser wurde abgestellt und lief aber noch einige Zeit aus der Decke in meine Wohnung. Erst spät abends hörte der Regen auf.
[Raumschiff] Ein paar Tage später war ich mit einem Vergleich der besten Haushaltsversicherungen beschäftigt. Damals gab es noch nicht so viele Portale. Zum Glück war auch der Hauseigentümer gegen Wasserschäden versichert und ein paar Tage später rückten Gutachter an. Da die Holzdielendecke in unserem Altbau zwischen den Etagen gründlich nass geworden war, musste nun eine ganze Woche lang die Decke mit warmer Luft getrocknet werden. Handwerker schleppten riesige Gebläse an und deponierten sie in meinem Bad und installierten überall im Bad und im Flur Schläuche. Dann setzten sie alles in Gang und erklärten, dass das jetzt eine Woche lang ununterbrochen laufen müsste. Das war ein ständiges Dröhnen Tag und Nacht und ich stellte mir vor, dass ich auf einem Raumschiff wäre auf der Reise zum Mars. Dann war alles wieder trocken und die Maschinerie wurde abgebaut. Es dröhnte dann noch einmal, als ein gutes Jahr später die Stromrechnung kam. Aber das hat dann auch die Versicherung übernommen.
[Déjà vu] Als es vor ein paar Wochen nochmals regnete, diesmal in der Küche, habe ich nur noch müde gelächelt. Das kannte ich schon. Diesmal war es die Geschirrspülmaschine. Die Nachbarin hatte inzwischen eine eigene Schadensversicherung abgeschlossen und die Regulierung des Schadens gestaltete sich unkompliziert. Aber ungewöhnlich ist es doch, wenn es an Orten regnet, wo es eigentlich nicht regnen sollte.
Berlin, 12.12.2012
Stefan Schneider
PS: Darüber, was passiert wäre, wenn ich bin in beiden Fällen nicht zu Hause gewesen wäre, will nicht erst gar nicht nachdenken. Glück im Unglück.
[Abbildung] Datei:Apollo 11 Lunar Module Eagle in landing configuration in lunar orbit from the Command and Service Module Columbia.jpg
[Barrieren] In meiner Zeit als Bürgerdeputierter und später als Bezirksverordneter im Berliner Bezirk Pankow war ich ein gutes Jahrzehnt lang aktiv und dabei zuständig für den das große Politikfeld Soziales. Dem zugeordnet war auch der Bereich der Behindertenarbeit. Direkt beim Bürgermeister angesiedelt war die Stelle des Behindertenbeauftragten, der zusammen mit dem bezirklichen Behindertenbeirat die Schwerpunkte seiner Arbeit vorstellte. Das war eine wirkliche Querschnittsaufgabe, und der Handlungsplan mit den einzelnen Zielen, die umgesetzt werden sollten, war ausgesprochen umfangreich und komplex. Eines der ersten Dinge, die ich lernte, war, nicht von behindertengerechten Zugängen, Straßen, Plätzen usw. zu sprechen – um nicht immer wieder den Aspekt der Behinderung zu thematisieren – sondern statt dessen von barrierefreien oder – präziser – barrierearmen Zugängen zu sprechen. Allein schon dieser Begriff veränderte maßgeblich die Perspektive. Es war augenscheinlich, dass der Abbau von Barrieren mehr Lebensqualität für alle bedeutete. Straßenkreuzungen, die besser einsehbar und mit abgesenkten Bordsteinkanten und einem Blindenleitsystem auf der Straße versehen waren, erhöhten die Verkehrssicherheit nicht nur für Rollstuhlfahrer und Gehbehinderte, Blinde und Sehbehinderte, sondern erleichterten auch Kindern und Famlilien mit Kinderwagen die Straßenquerung. Auch die Verkehrsbetriebe konnten davon überzeugt werden, auf allen U-Bahnstationen endlich Aufzüge einzubauen, was sie auch, mit einigen Jahren Verzögerung, dann flächendeckend taten. Als ich ich Jahr 2009 mit einem gebrochenen Bein durch die Stadt krückte, konnte ich mich von den Vorteilen von Aufzügen höchstpersönlich überzeugen, aber auch von niederflurigen Straßenbahnen und Bussen mit Neigetechnik.
[Teilhabe] Enthinderung und der Abbau von Barrieren ist aber nicht nur eine technische und bauliche Herausforderung, sondern muß selbstverständlich auf Teilhabe zielen in den Lebensbereichen Soziales, Politik, Bildung, Kultur und Kunst. Im Zuge des demographischen Wandels wurde beispielsweise die Anschaffung von Büchern mit Großbuchstaben diskutiert, ein Blindenleitsystem auf den Ämtern und weitere Erleichterungen für Blinde und Sehbehinderte. Als ich vor einigen Jahren einmal zu einem Essen in einem Dunkelrestaurant eingeladen war, wurde mir sehr schnell die enorme Einschränkung deutlich, mit denen Blinde zurecht zu kommen haben. Das hat mir noch einmal mehr die Bedeutung von Angeboten wie Hörbücher und Hörspiele deutlich gemacht. Auch im Internet gibt es bereits seit Jahren stetig wachsende Portale, auf denen teilweise kostenlos Hörbücher und Hörspiele zum Download zur Verfügung gestellt werden. Nicht ganz zur Unrecht wird in diesem Zusammenhang gerne vom Kino für blinde Menschen gesprochen, wie ich in einem Beitrag im Internet gelernt habe. Und mit Sicherheit kein Zufall ist es, dass einer der bedeutendsten Preise, die für Hörspiele verliehen werden, der Hörspielpreis der Kriegsblinden ist. Und auch ich kann mich daran, wie ich in meiner Kindheit fasziniert am Radio hing, wenn Samstag vormittag im RIAS-Berlin eine neue Folge von Damals war’s – Geschichten aus dem alten Berlin gesendet wurde. Diese Hörspielreihe könnte eigentlich mal wiederholt werden. Aber den RIAS gibt es ja nicht mehr.
Berlin, 12.12.2012
Stefan Schneider
[Abbildung] Girl listening Radio - Quelle WikiCommons
http://commons.wikimedia.org/wiki/File:Girl_listening_to_radio.gif
Das hätte sich William Shakespeare auch nicht träumen lassen: Sein Stück „Der Widerspenstigen Zähmung“ als Grundlage für ein Musical. Aber genau so ist es. Der Klassiker Kiss me kate basiert auf Shakespeares Stoff. Die Komödie schufen Samuel und Bella Spewack und die Musik und Gesangstexte sind von Cole Porter.
Das Alte Schauspielhaus Stuttgart nimmt sich nun noch in diesem Jahr des Klassikers an und am 21. Dezember ist die Premiere. Ulf Dietrichs Inszenierung wird von Musicalfreunden mit Spannung erwartet und man darf sich auf alt Hergebrachtes im neuen Kleid freuen.
Geschlechterkampf auf und hinter der Bühne: Obwohl von Bett und Tisch getrennt, hat Fred Graham, Produzent und Hauptdarsteller der musikalischen Komödie "Der Widerspenstigen Zähmung", seine Ex-Frau Lilli Vanessi für die weibliche Hauptrolle der widerspenstigen Katharina engagiert. Den weiblichen Gegenpart Bianca, die Rolle der braven Schwester Katharinas, hat Fred seiner momentanen Geliebten, der Nachtclub-Schönheit Lois Lane, zukommen lassen. Ein Fehler, denn Lilli ist mittlerweile zwar auch mit einem neuen Partner zusammen, doch schnell wird deutlich, dass es zwischen ihr und Fred immer noch heftig knistert.
Die Katastrophe wird perfekt, als fälschlicherweise Blumen, die Fred unmittelbar vor der Vorstellung für Lois Lane bestellt hat, in der Garderobe von Lilli abgegeben werden: Lilly, hocherfreut über das Präsent, kommt erst während der Vorstellung dazu, die beiliegende Grußkarte zu lesen. Der Irrtum kommt heraus, und ab sofort fliegen Fred nicht nur die von Shakespeare vorgeschriebenen Fetzen um die Ohren ...
Die mitreißenden Songs von Cole Porter sind die Zutaten, die »Kiss me, Kate« zu einem der erfolgreichsten Broadway-Musicals überhaupt gemacht haben. Seine Musik verbindet verschiedene amerikanische Unterhaltungsmusiken der 1930er und 40er Jahre wie den Jazz und den Swing mit dem amerikanischen Vaudeville und Einflüssen der europäischen Operette. Mit ihm landete Cole Porter 1948 einen Riesenerfolg, der bis heute nicht nur in Amerika, sondern vor allem auch in Deutschland anhält. Songs wie »Too darn hot, Brush up Your Shakespeare« oder »So in love« gehören zu den berühmtesten Porter-Songs. Cole Porter schuf mit »Kiss me, Kate« ein Erfolgsmodell des amerikanischen Musicals.
Tece, Mersin-Mezitli, Türkei, 05.12.2012
[Abbildung] http://commons.wikimedia.org/wiki/File:Kiss_me_Kate.jpg
Maj Lindström and Lars Ekman in Kiss me, Kate at Malmö Stadsteater 1963,
http://libris.kb.se/bib/9065171
Photo: Alice Strid - WikiCommons