Stefan Schneider - Wohnungslosigkeit und Subjektentwicklung
 

GERHARD

Perspektiven

"Ich möchte auch wieder in ein richtiges Gleis geführt sein"

Klar, ich möchte auch wieder in ein richtiges Gleis geführt sein, das ist ganz normal. Nicht, daß Sie annehmen oder andere glauben, daß mir das Leben Spaß macht. Das ist ja kein Leben, das ist ja nur so ein taktieren, möchte ich sagen, das ist schon abgeschweigt vom Leben, das hat mit Leben nichts mehr zu tun. Auf der Straße liegen ist nicht nur schwer, auch nicht hart, sondern kritisch, möchte ich sagen. Denn kritisch ist schlimmer wie hart. Kritisch ist immer das gefährlichste vom Harten. Alles was kritisch ist, ist auch schon lebensgefährlich.

Unterkunft - Wohnung

Ich soll ja jetzt demnächst irgendwas kriegen, eine Unterkunft, wo man schlafen kann. Wurde mir schon versichert. Demnächst. Denn ich kann ja über den Winter nicht durchhalten, das geht ja nicht. Da wollen mich Leute unterstützen, und ich werde auch wahrscheinlich eine Wohnung kriegen, im nächsten Monat. Das geht vom Ostteil drüben, da, wo ich mal gewohnt habe in meinem Bezirk, da habe ich mich bemüht und auch geklärt alles. Und die Leute wissen ja Bescheid, die Polizei, in meinem Ostteil drüben. Und die wissen Bescheid, und die wollen mir ja auch helfen. Bloß das geht nicht so auf heute auf morgen. Auf jeden Fall haben sie's mir versprochen für dieses Jahr noch. Die Miete krieg ich freigestellt. Die brauch ich nicht zu bezahlen. Die übernimmt der Staat.

Ruhe, Kraft und Mut

Zu meiner Stiefmutter habe ich keine Beziehungen mehr, weil ich das nicht möchte. Ich möchte meine Ruhe haben, und ich möchte so bleiben, in meinen Gedanken, so wie ich jetzt bin, und ich möchte da nicht andere stören. Aber, wie gesagt, das wird schon alles wieder werden, und ich habe mich gefreut, daß ich wieder solchen Menschen fand, wie sie sind, das habe ich paar Mal schon gehabt, solche Leute, die sich mit mir unterhielten. Die mir Kraft gegeben haben, ohne daß sie mir was geschenkt haben, durch ihre Worte, ihre Intelligenz, das hat mir was gegeben. Man lacht vielleicht darüber, aber das hat mir Kraft gegeben und auch Mut. Ich möchte vielen Menschen, also verschiedenen Menschen sagen, wenn ich die nicht kennengelernt hätte, wäre ich heute nicht mehr am Leben. Weil diese Leute mir die Kraft gaben und Gott, sonst würde ich heute nicht mehr leben.

ENDE

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© Text und Gestaltung: Stefan Schneider (zosch@zedat.fu-berlin.de)
Fotos: Karin Powser - Logo: Willly Drucker
Letzte Änderung: 08.12.97