Stefan Schneider - Wohnungslosigkeit und Subjektentwicklung
OTTO
OTTO ist 27 Jahre alt und kommt aus West-Berlin.
Biografie
Schule - Ausbildung - Drogen
Mit 14 habe ich angefangen mit Drogen in einer Clique. Erst aus Neugier. Als ich Jugendlicher war, Schüler, habe ich nur Shit geraucht. Und dann, als ich die Lehre angefangen habe, habe ich angefangen zu drücken. Da habe ich das alles nicht mehr so gerafft, dann habe ich so meine Probleme mit Frauen gehabt, da habe ich immer mit Eightsch[30] rumgemacht und mit Koks, wollte mir Frauen dadurch erkaufen, das ist einer der Gründe, wie ich an die Drogen rangekommen bin. Und dann hatte ich sehr viele Probleme mit mir selber gehabt, die habe ich versucht, mit den Drogen wegzumachen. Und als ich gemerkt habe, daß das nicht so klappt wie ich wollte, war es eigentlich schon zu spät gewesen für mich. Da habe ich wirklich bloß noch gedrückt und gedealt, nur um meinen eigenen Drogenkonsum zu decken. Dann war es mir eigentlich egal gewesen, was es nun mit Frauen und zwischenmenschlichen Beziehungen war, da waren eigentlich nur noch die Drogen wichtig gewesen. Und das tolle Gefühl, irgendwo in einer Gemeinschaft anerkannt zu werden und da ist die ganze Sache so gelaufen, zwei oder drei Jahre lang mit dem Drücken.
Habe auch noch meine Ausbildung fertig gemacht, Stahlbetonbauer, ich hatte mein Geld, Unterstützung von meinen Eltern noch, hatte eine billige Wohnung gehabt. Meine Wohnung konnte ich immer halten, das war für mich das ein und alles gewesen. Daß ich mein Dach überm Kopf hatte, egal wie die Wohnung ausgesehen hatte. Für mich war eine Wohnung irgendwie immer was gewesen, 'my home is my castle', da bin ich Chef, da kann mir keiner was. Ich habe auch immer dafür gesorgt, daß meine Miete pünktlich gezahlt wird. Die paar 100 Mark hatte ich immer noch zusammengekriegt.
Damals wußte man höchstens, daß man sich eine Gelbsucht einfangen kann, aber nichts anderes. Das hatten wir kalkuliert, eine Gelbsucht hat jeder Junkie mal gehabt, das war nicht so wild gewesen. Wenn man auf dem Affen ist, dann ist es scheißegal, ob die Spritze sauber ist oder dreckig ist. Wenn du das Pulver hattest, mußte das sofort rein, sobald du die Möglichkeit hattest. Wenn du keine Spritze gekriegt hast, dann hast du vom Kumpel die Spritze genommen, oder von einer Freundin. Ich habe ungefähr zwei bis drei Gramm am Tag gedrückt. Dann mußt du überlegen, wo kriegst du das Geld her? Okay, ich habe viel durch Verkauf gemacht, durch Einbrüche und solche Sachen. Und da ist diese Kriminalität dabei. Die Leute gehen nicht an Heroin drauf, sondern an den Verunreinigungen, die zum Strecken drin sind. Ich habe mein Heroin teilweise mit Ariel gestreckt. Ich hatte einen Wochenumsatz von 250 Gramm gehabt, und das ist schon relativ groß gewesen. Aber ich will damit nicht prahlen, das ergibt sich einfach so. Ich habe nicht schlecht gelebt, ich bin nie in Szeneklamotten herumgelaufen, hatte nur die besten Sachen angehabt, ich bin eigentlich die ersten Jahre überhaupt nicht abgestützt gewesen. Nur als sie mich einmal ausgenommen haben, da ging auch das Klein-Klein los und das Abziehen[31] und dann keine Lust mehr, soviel Aktion zu machen. Da verlierst ja auch an Lust, was auf die Beine zu stellen, wenn's nicht unbedingt gerade für Droge ist. Man kann es nicht groß erzählen oder so, man muß es erlebt haben. Es ist immer schwer für jemanden, das zu erzählen, der nicht dabei, der die Sachen nicht kennt. Dann kann ich dir erzählen, im Himmel ist Jahrmarkt, wie schön toll das war, aber wenn man die Szene nicht selber kennt, dann ist das eigentlich witzlos. Du glaubst gar nicht, wie erfindungsreich man wird, um an Geld ranzukommen, wenn man's braucht.
Und dann habe ich Ärger gekriegt mit der Polizei, Untersuchungshaft, bin wieder rausgekommen, Gerichtstermin, dann haben sie mir Urinkontrollen aufgedrückt, die wurden untersucht auf Rückstände von Heroin, Kodeinen und anderen Sachen. Unregelmäßig, alle 14 Tage mal, dann alle drei Tage mal, also man kriegt immer eine Aufforderung vom Gesundheitsamt. Die konnte ich dreimal nicht einhalten, bin also nicht hingegangen. Dann war ein Haftbefehl draußen gewesen, da bin ich zur Drogenberatung, die konnten mich nicht rausholen, dann bin ich ganz schnell auf Therapie gegangen.
Therapie
Und als dann zu viel Knast offen war, bin ich auf Therapie gegangen. ß 35, "Therapie statt Strafe", kann man sagen. Solange wird die Haftstraße ausgesetzt, wenn die Drogentherapie erfolgreich ist, das ist jedenfalls die Handhabung hier in Berlin. Bevor ich ins Gefängnis gegangen bin, bin ich lieber auf Therapie gegangen. Und da habe ich zwei Jahre lang Therapie gemacht. Mich hat das Leben angekotzt mit den Drogen, und ich wollt auch nicht in den Knast gehen, also ich bin relativ freiwillig gegangen. Freiwillig gezwungen worden, sagen wir es so, weil ich keine Lust hatte auf Gefängnis.
Und auf Therapie habe ich erfahren, daß ich HIV-positiv bin, da war für mich so eine Situation gewesen, wie ich mich entscheide. Es hat mein Leben verändert. Zu dem Zeitpunkt war ich noch nicht so informiert gewesen über Aids. Ich wußte bloß so aus den Medien, daß man von Aids sterben kann, und daß man ziemlich schnell sterben kann. Und ich hatte da im Kopf gehabt, was willst du jetzt machen? Willst du jetzt die Therapie abbrechen, wieder drücken gehen - hat ja sowieso keinen Sinn - oder willst du die Therapie weitermachen und leben. Ich habe mich fürs Leben entschieden, weil ich überhaupt keine Lust hatte auf diesen sozialen Abstieg in den ganzen Dreck und diese Linkereien zwischen Menschen und Unfairneß. Das ergibt sich aus dem Konsum heraus. Ein Drogenabhängiger ist 24 Stunden im Dienst. Er muß hinter seinen Drogen hinterherrennen, Beschaffungskriminalität, immer Angst haben vor der Polizei. Und darauf hatte ich keine Lust gehabt mehr, weil ich mich so an das Leben gewöhnte, ich war zwölf Monate auf Therapie, da habe ich's erfahren. Da war ich schon so weit gefestigt gewesen, daß ich mich wirklich entscheiden konnte, das oder das. Und ich hatte mehr Angst gehabt vorm Rückfall, also dieses Dilemma wieder zu leben, als mir wieder was aufzubauen. Ich war ziemlich konfus gewesen, ich habe mich schon als Toter gesehen. Und da habe ich durch Unterstützung der Therapie und meiner Gruppe zu mir gesagt, ich will weiter leben, solange wie es geht, seitdem bin ich clean. Also in Anführungsstrichen clean, ich nehme keine harten Drogen mehr, ich trink mal mein Bier und rauch mal ab und zu, also mehr mache ich nicht.
Auf Therapie habe ich gelernt, wie ich mit meiner Gefühlswelt umgehen kann, was ich machen muß, um das zu erreichen, was ich gerne haben will. Also ich habe da wirklich gelernt, clean zu werden und auch einigermaßen clean zu bleiben. Bei mir war es eine gemischte Therapie, eine Arbeitstherapie, und die psychologische Basis war so gewesen: Du wurdest aufgebaut, und dann wieder ganz schnel fallengelassen, damit diese Lebensschwankungen auch mitkriegst. Das wußte ich damals nicht, das ist mir so im Nachhinein klar geworden. Für mich war gut gewesen diese Käseglocke, daß ich abgeschnitten war von der Außenwelt, also, kannst du sagen, sozialer Knast. Ich war weggewesen aus meinem negativen sozialen Umfeld, und das war eigentlich ganz gut gewesen für zwei Jahre.
Therapie fertig gemacht, ein Jahr noch in einer Außen-WG gewohnt von der Therapiestelle, und dann habe ich vier Wochen gebraucht, da habe ich eine neue Wohnung gehabt. Und dann habe ich eine neue Ausbildung angefangen, Dreherausbildung CNC-Dreher.
TUWAS, Berliner-Aids-Hilfe
Und dann habe ich auch sehr viel mit dem TUWAS gemacht, das war einmal eine Nachsorgegeschichte gewesen für ehemalige Drogenabhängige, wo ich als Ex-User gearbeitet habe, und streetworker. Da habe ich Angebote gemacht für Drogenabhängige, daß sie mal eine andere Beschäftigung haben und denen geholfen, beim Sozialamt was durchzudrücken und sowas alles. Ich habe die Leute angesprochen, habe denen die Adresse gegeben, wo sie mich erreichen können, wenn sie was wollen, dann sollen sie zu mir kommen. Also, daß sie einen Schritt tun, und daß ich ihnen dabei weiterhelfe. Die Sache hat effektiv nichts gebracht. Erstmal finanzielle Mittelkürzung vom Senat, und für mich persönlich ist dabei nicht viel rübergekommen. Ich habe mich da immer selber erkannt in der ganzen Situation, weil mir einfach das Erfolgserlebnis gefehlt hat. Von den ganzen Leuten habe ich immer das Gefühl gehabt, daß sie mich ausnutzen. Ein Junkie, der nützt alles aus, wenn er irgendetwas kriegen kann. Von mir aus habe ich dann gesagt: "Schluß, Aus, Ende!" Ich habe nur investiert, und für mich selber ist nichts geblieben. Und dann wurde der Laden zugemacht, weil die Mittelkürzung so drastisch war.
Das letzte Mal, wo ich mich wirklich weitgehend eingebracht habe, war die Berliner Aids Hilfe gewesen, aber als ich da mitgekriegt habe, daß da alles zu 90% für die Homosexuellen geht, habe ich gesagt: "Warum strenge ich mich hier an, warum reiß ich mir den Arsch auf, wenn für ehemalige Drogenabhängige gerade mal 800 Mark im Jahr zur Verfügung stehen?" Bei diesen ganzen Firmen läuft das so ab, Substitution ist dir ja ein Begriff, also hat die Berliner Aids Hilfe ein großes Ding gemacht. Es wird nur was gemacht, wenn Leute drogenabhängig sind, aber es passiert nichts für Leute, die drogenfrei leben. Dafür ist kein Geld da.
Hilfe ist das ja nicht mal. Für mich ist das weiter nichts als vom Vater Staat eine Alibifunktion. Die Sachmittel werden durch den Senat finanziert, teilweise durch ABM, und in zwei, drei Jahren, wenn der größte Schreck vorbei ist, wird wieder gekürzt. Ob das nun damals von den Drogenberatungen war, die sich auf eigene Beine stellen wollten, unabhängig sein wollten vom Vater Staat, da wurden ihnen das Geld und die Stellen gekürzt. Für mich wäre wirklich Hilfe, wenn sie sagen könnten, wir haben so und so viel Wohnungen gebaut, daß sie die Leute, die wirklich gesundheitlich oder sozial bedroht sind, nicht abstürzen in die Kriminalität. Damals die alten Drogenberatungen waren so gut drauf gewesen, die haben die Leute nicht gleich in Therapie gesteckt, sondern wollten auch zusehen, daß sie das ambulant machen können, und da ist eine Änderung des BtMG, also hier Betäubungsmittelgesetz, herausgekommen, dann wurden Polizisten mit einer psychologischen Zusatzausbildung ausgebildet, da hieß es, wenn sie dich an'n Arsch gekriegt haben: "Entweder du erzählst, oder wir sorgen dafür, daß du auf Therapie kommst!" Das war die psychologische Ausbildung. Und die Drogenberatungsstellen haben dagegen protestiert, weil sie ein ganz anderes Ziel verfolgt haben, und daraufhin wurden sämtliche Drogenberatungen geschlossen, also, die so halbwegs frei waren, weil sie sich hauptsächlich durch ABM-Stellen finanziert haben, und dann wurden die mundtot gemacht. Und meine sozialen Initiativen sind seit den letzten Jahren auf den Nullpunkt gegangen, daß ich was für andere machen will.
Umgang mit Drogen
Meine Theorie ist ja, jeder findet auf irgendeine Art und Weise seinen Weg, mit den Drogen umzugehen. Der eine schafft es beim ersten Mal, clean zu bleiben, und der andere schafft das überhaupt nicht. Also das ist so ein Spiel. Wie jeder selber dahinter steht, und ob er daraus was gelernt hat oder ob er soweit sich entwickeln kann, daß er Widerstandskraft gegen die Gesellschaft, die ihn immer wieder zurückschlägt, entwickeln kann. Und ob er einen Lebenswillen hat. Denn eine Droge verbinde ich mit Tod. Über kurz oder lang. Und ich bin jetzt soweit, daß ich mich eben nur für das Leben entschieden habe, obwohl es nicht klar ist, daß ich nie wieder anfange zu drücken. Auch 10 Jahre ist keine Zeit. Ich bleibe mein ganzes Leben lang ein Junkie. Und das weiß ich auch. Ich habe meinen Weg zu den Drogen und zum Alkohol so gefunden, daß ich weiß, daß ich das nicht nehmen kann, wenn es mir scheiße geht und ich unter Druck stehe. Wenn ich einen klaren Kopf habe und mal so bei einer Fete aus Spaß und Fun an 'ner Tüte mal zwei, drei Züge mitziehe, dann ist das für mich okay, aber mehr nicht. Ich bin auch nicht so ein Apostel, der sagt, nur 1000%ig clean ist clean. Das bin ich nicht, weil das nicht der Wahrheit entspricht.
Wenn Heroin legalisiert würde, würde es nicht mehr Fixer geben als heute. Beim Hasch rauchen spielt erstmal nur die Neugier eine Rolle, genauso wie beim Heroin. Ich denke mir, bei Jugendlichen, die so zwischen elf und zwölf Jahren alt sind und mit dem Kiffen anfangen, da spielt bloß, daß es verboten ist, eine große Rolle. Daß es verboten ist und es ist nicht legal. Wenn sie das Kiffen erlauben würden, dann würde es nicht mehr oder nicht weniger geben. Und für Leute, die jetzt drauf sind, sollten sie die Möglichkeit geben: "Entweder ihr wollt Polamidon zum Substituiert-werden, oder ihr könnt eure Drogen auf Krankenschein von der Apotheke holen!" Das wäre mein Vorschlag, so wie sie es in Holland auch durchziehen. Daß die Kriminalität wegkommt.
Arbeit
Ich habe mich damals als Dreher beworben, mußt du so einen Gesundheitsbogen ausfüllen bei der Firma, und wenn du das Kleingedruckte liest: 'Entbindung der Schweigepflicht der AOK', und schon bist du angeschissen. Und wenn du das eben nicht ausfüllst, oder den Passus streichst, kriegst du überhaupt keine Chance. Ich hab's bewußt verschwiegen, damals waren die Medien so aufgepuscht gewesen mit der ganzen Aids-Geschichte: "Alle Aids-Kranken in Internierungslager!", und da habe ich meinen Mund gehalten, denn ich habe mich nicht krank gefühlt, und habe eigentlich nur darauf geachtet, daß ich keine anderen Leute anstecke. Also daß, wenn ich mit einer Frau geschlafen habe, da das Gummi genommen habe, oder wenn ich eine größere blutende Wunde hatte, daß mich entweder die Leute mit Gummihandschuhen angefaßt haben, darauf habe ich geachtet. Die sagen zwar, "Datenschutz bei Aids", aber als ich mich beworben habe, CNC-Dreher werden gesucht wie warme Semmeln, ich habe keinen Job gefunden, weil sie bei der AOK mein Gesundheitszeugnis überprüft haben. Und das geben sie offiziell nicht zu.
Unfall
Den ersten Job, den ich angefangen habe, war ein Hilfsjob gewesen. Und hatte da fünf Jahre lang in der Firma gearbeitet, dann ist eigentlich ein ganz normales Leben gelaufen, habe das fast sechs Jahre lang verdrängt mein Hiff[32], habe mir einen Freundeskreis aufgebaut, meine Freundin gefunden, und das war ein Punkt gewesen, wo ich mich zufrieden gefühlt habe. Meine Lebenserfahrung ist so, wenn du mit einer Droge wie Heroin aufhörst, mußt du dir einen Ersatz schaffen. Mein Ersatz war meine Arbeit gewesen, da habe ich mir soziale Gefühle rübergeholt, bis zum Zeitpunkt des Arbeitsunfalls. Ich habe ziemlich stark geblutet, da habe ich gesagt, daß ich positiv bin, weil ich keinen anderen anstecken wollte. Da habe ich noch im Bewußtsein gesagt, daß die Leute mich nicht anfassen sollten, weil sie sich sonst infizieren können, wenn sie keine Gummihandschuhe haben. Dann war ich krank gewesen, habe den Arbeitsplatz wieder angefangen, und dann ging es los, durfte nicht in meinem gelernten Beruf arbeiten, wurde von einem Arbeitsplatz zum anderen geschoben, also rausgeekelt, mußte die letzte Arbeit machen. Von der Belegschaft aus, von den Abteilungsleiter, immer so hin- und hergeschoben, ich weiß nicht, ob du das schon mal erlebt hast, daß die dich versucht haben, rauszuekeln, so daß du selber kündigst. Mir haben sie das Leben schwer gemacht, das war ein ganz anderes Leben auf einmal, die haben mir nicht mal mehr die Hand gegeben, die hatten wirklich Schiß gehabt, daß die sich infizieren können. Das habe ich dann psychisch nicht lange ausgehalten, denn zu der Zeit habe ich auch meinen ganzen Freundeskreis verloren, weil der größte Teil meines Freundeskreises direkt von der Arbeit eben war. Dann habe ich mich erstmal zwei, drei Monate krankschreiben lassen. Dann habe ich's nochmal probiert, eine Arbeitsstelle zu suchen. Habe auch eine gefunden, da war ein Bekannter drin gewesen, der wußte, daß ich positiv war, ich habe den nicht so eingeschätzt. Ich schneide mich mal, so'n ganz kleinen Schnitt an der Handfläche, was wirklich nicht die Welt ist, sagt der gleich: "Rufst du den Alten!", und sagt: "Der Herr X. hat Aids!" und blablabla, dann ging das Spielchen wieder von vorne los.
Dann habe ich mich nochmal versucht aufzurappeln, habe denn auch'n Job gefunden, der mir absolut keinen Spaß gemacht hat. Dann bin ich krank geworden, die erste Aids-Geschichte, Hirnhautentzündung. Da wurde mir gesagt im Krankenhaus, daß das eine HIV-bedingte Hirnhautentzündung war. Mein Immunsystem war so geschwächt durch die psychische Belastung, die ich ein dreiviertel Jahr hatte, da war mein Immunsystem so runter gewesen, hat eine Kleinigkeit gereicht, war ich krank gewesen. Das Immunsystem reagiert auf psychische Belastung. Es ist erwiesen, daß die Psyche sehr viel Einfluß hat auf das Immunsystem. Ich hatte eigentlich solange keine Probleme gehabt, solange wie mein Arbeitsleben gestimmt hat, mein Freundesleben gestimmt hat, erst als diese Probleme aufgetaucht sind.
Rente - Wohnungsverlust
Als ich jetzt das letzte Mal arbeitslos wurde, habe ich mich von der AOK krankschreiben lassen. Dann habe ich mich positiv gemeldet, und habe jetzt erstmal meine 16 Monate Krankengeld kassiert, damit ich auf Rente gehen kann. Da habe ich meine 1800 Mark gehabt im Monat. Bis zu 18 Monaten kannst du Krankengeld kassieren von der AOK, dann stellt die AOK oder du selber einen Rentenantrag. In Berlin ist die Handhabung so, daß jeder HIV-Positive das sofort durchkriegt. Ich habe diesen Weg beschritten, weil ich absolut keine Lust hatte, mich nochmal diesem Streß auszusetzen.
Seit ich jetzt auf Rente bin durch meine HIV-Infektion habe ich einen finanziellen Verlust von 600 Mark, dann war es aus mit der Wohnung zu bezahlen. Denn mit 1200 Mark Rente kann ich keine 650 Mark Miete zahlen. Erst war meine 1-Zimmer-Wohnung war relativ billig gewesen. Dann wurde das Haus wieder verkauft, dann wurden die Mieten angehoben. Innerhalb eines Jahres wurde das Haus wieder verkauft. Bendzko-Immobilien. Wurde wieder verkauft, und jetzt ist der Eigentümer der alte Eigentümer, nur über die Dresdner Bank. vier Mal ist die Wohnung von 250 Mark auf 645 Mark und 95 Pfennig gestiegen. Also ich konnte sie mir effektiv nicht mehr leisten, die hat mich insgesamt mit Strom und Gas 800 Mark gekostet. Dann bleibt mir genau noch der Sozialsatz übrig von 400 Mark. Wenn ich dann noch 150 Mark abrechne Schulden zahlen, dann sind das 250 Mark. Das sind Restschulden, die ich, als ich mein Arbeitsleben hatte, aufgenommen hatte.
Ich habe auch kein Wohngeld gekriegt, weil es eine Altbauwohnung mit Kohlenheizung noch war. Habe mich da lang und schleppend mit dem Sozialamt Wedding auseinander gesetzt, und als ich das durchgekriegt habe, sind 60 Mark rausgekommen, das ist ein Witz. Ich hätte den Höchstsatz erwartet, das wäre dann einigermaßen noch zu vertreten gewesen. Ich habe darauf gerechnet, daß ich vom Sozialamt hier eine außergewöhnliche Lebenslage, daß ich da noch Geld kassieren kann. War auch nix, weil ich 47 Mark zuviel Rente habe. Und jetzt, weil ich jetzt ein Gerichtsverfahren angestrengt habe, gegen das Sozialamt Wedding, Verwaltungsgericht, habe ich das Ding auch noch auf Tasche gekriegt. Rein rechnerisch komm ich damit nicht über die Runden. Meine ganzen letzten Ersparnisse sind draufgegangen, damit ich mir die Wohnung einigermaßen halten konnte. Jedenfalls wurde die Wohnung für mich unbezahlbar ab Dezember. Das einzige, was sie mir zugestanden haben, ich konnte den Nachmieter selber stellen. Jetzt habe ich meine Freundin da reingesetzt. Dann habe ich mir gedacht, ich bleib' erstmal in meiner Laube, versuche das da auf die Reihe zu kriegen.
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© Text und Gestaltung: Stefan Schneider (zosch@zedat.fu-berlin.de)
Fotos: Karin Powser - Logo: Willly Drucker
Letzte Änderung: 08.12.97