Stefan Schneider - Wohnungslosigkeit und Subjektentwicklung
 

JOCHEN

Perspektiven

Wohnungssuche

Ende April oder Anfang Mai, wenn ich das machen kann, und habe meinen ABM-Vertrag in der Tasche, und ich kann den beim Vermieter vorlegen, das ist ja wieder was anderes. Aber wenn du keinen Vertrag hast, nur Sozialhilfeempfänger bist, dann ist das ein Problem: "Ja, so einen hatten wir schon, der hat nur gesoffen, da wollte das Sozialamt nicht mehr die Miete bezahlen!" - Du kennst ja die Argumente, da kann man sich ja schon denken, was kommt. Die sagen das meistens noch viel krasser. Ich sage mir, mit einem Arbeitsvertrag in der Tasche, noch mit einer Verdienstbescheinigung hast du doch einen wesentlich größeren Vorteil, als wenn du ohne was kommst.

Soziale Beziehungen

Jetzt habe ich mit meiner Cousine einen Super-Briefkontakt, seitdem ich da wohne. Ich kriege ungefähr alle zwei oder drei Wochen einen Brief von ihr. Ich schreibe natürlich gleich wieder zurück, weil ich mich wahnsinnig freue. Ich habe vorher doch nicht meiner Cousine schreiben können, wie ich auf der Straße gelegen habe. Das Bild alleine, was sie über mich denken würde. Irgendwie Gedanken machen sie sich ja doch. Und die hat auch gesagt: "Wenn du jetzt wieder auf normalen Boden kommst, und du hast deine eigene Wohnung, ich komme dich besuchen!"

Kontakt zur Wärmestube

Eines weiß ich, die S.Wärmestube werde ich nie vergessen oder nie vernachlässigen, selbst wenn ich eine feste Arbeitsstelle habe, eine eigene Wohnung, ich werde immer mal wieder in die S.Wärmestube zurückkommen. Das ist eine Heimat, ein Bezugspunkt. Wenn ich Probleme hatte, konnte ich zu B., mit B. komme ich so super klar. Und vor allem diese gewisse Bestätigung, die du da kriegst. Letztens waren da welche zu Besuch, höhere Tiere vom Sozialamt, und dann meinte B.: "Das ist hier zum Beispiel unser ehrenamtlicher Helfer, also ohne den könnten wir hier nicht!" Weil die Sozialarbeiter dürfen auch nur eine gewisse Zeit arbeiten, länger kriegen sie nicht bezahlt. Und die B., also die Chefin, hat auch gesagt, es ist schade, daß wir Ehrenamtlichen nicht bezahlt werden.

ENDE

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© Text und Gestaltung: Stefan Schneider (zosch@zedat.fu-berlin.de)
Fotos: Karin Powser - Logo: Willly Drucker
Letzte Änderung: 08.12.97