Stefan Schneider - Wohnungslosigkeit und Subjektentwicklung
 

NICK

Lebenslage

Überfälle

Ich war hier am Zoo, und hier war ein Nazi-Angriff, und natürlich waren hier auch viele Punks, und ich habe einem Nazi einen Molli über den Kopf gehauen. Also, ein Mollotow-Cocktail, eine Bierflasche, wo Benzin und Öl drin ist, und das Öl ist Brandverzögerer, und ihm hat dann natürlich der Kopf gebrannt, und da habe ich Anzeige wegen Totschlag gekriegt. Ja, er ist krepiert. Das war letzten Samstag. Ich stand auch in der Zeitung. Zwei Hooligans schwer verletzt, einer tot, aber es waren mehr als 50 Mann, die auf den raufgegangen sind, da war ich bloß einer von, der war ja schon halbtot. Der hat schon Messerstiche und alles abgekriegt gehabt.

Ich gehe nicht anschaffen. Ich ziehe ab, meistens abends, wenn es dunkel ist. Meistens mit Messer oder Baseballkeule. Also Leute abziehen: Ein paar vor die Fresse hauen und dann eben das Geld abziehen, die Klamotten abziehen und so. Die Klamotten, die ich jetzt anhabe, die du sind alle abgezogen. Das sind keine normalen Leute, die ich abziehe. Das sind die Hooligans, die hier rumhängen. Das sind die Rechtsradikalen. Ich haue ihnen auf die Fresse, steche ihnen ein Messer ins Bein, wenn sie sich wehren. Oder ich halte ihnen einfach meine 9-Millimeter scharfe Pistole vor die Fresse, und sage: "Zieh mal die Klamotten aus!" Und wenn er dann immer noch nicht hört, dann halt ich sie so ein Stück weg, ungefähr auf einen Meter weg, und verpaße ihm einen Druck von einer 9-Millimeter Gas![10] Alleine kann man nicht abziehen, das fetzt nicht. Da kriegt man meistens ein paar auf die Fresse. Das ist auch schon passiert, daß ich ein paar von den Bullen auf die Fresse gekriegt habe.

Die Hools haben uns schon so oft abgezogen, das sind Nazis, die haben uns so oft abgezogen und so, das finde ich einfach nicht toll, weißt du, weil ich bin gegen Faschismus, ich bin gegen Ausländerhaß und alles, und wenn die uns abziehen, die schlagen uns mit Baseballkeulen und so, weil wir gar nichts gemacht haben, springen die hier manchmal aus VW-Bussen raus mit Baseballkeulen und schlagen uns zusammen, und das sehe ich natürlich nicht gar nicht ein.

Angst habe ich nicht, weil alles was hier rumläuft, was du siehst, Punks, Irokeesenschnitte und alle, die helfen dir in jeder Situation. Und die meisten, außer ich hier, haben so kleine Fotoapparate mit, dann werden die, die dich hier überfallen fotografiert, und die werden dann in ganz Berlin gesucht. Ich habe zum Beispiel hier Kontakte wie fast jeder Punk hier, nach ganz Berlin hier. Und wenn zum Beispiel dich ein Türke überfällt, egal ob es ein Ausländer ist, ob es ein Nazi ist, egal wer, oder dir einen Druck verpaßt, einfach so, der ist dann einfach mal gekillt. In der Umgangssprache heißt das, er wird gekillt, aber einfach bloß zusammengeschlagen, das ist die Umgangssprache einfach so, das ist dann einfach alles.

Drogen

Die meisten Leute, die du hier siehst in der Jebensstraße, das sind die Leute, die anschaffen gehen, um irgendwie Geld zu kriegen, weil sie an der Nadel hängen und so. Und zum Beispiel die Autos, die halten hier immer an, und winken sich die Leute ran. Machen den Preis aus, und dann ist das eben so. Hier der da hinten im Tarnanzug, das ist ein Kumpel von mir. Er geht auch anschaffen, weil er Kohle braucht, er hängt auch an der Nadel. Ich drücke auch, aber nicht so oft, also ich häng nicht dran.

Und, die meisten Leute hier also, ich schätze mal Touristen und so, und die Scheiß-Bullenschweine, die hier immer rumhängen, die jagen uns immer raus. Und dann wundern sie sich, wenn sie paar auf die Fresse kriegen. Und es gibt auch Leute hier, die mit Baseballkeulen rumhängen, und eben anderen Leuten auf die Fresse schlagen, bloß um Geld für Eightsch zu kriegen. Ich meine, wenn die Leute hier rumstehen und sich einen Druck setzen, da sagen die Bullen gar nichts mehr, weil die genau wissen, was hier Banane ist.

Ich zum Beispiel, ich kiffe und schniefe, ja, so Kokain, Haschisch, Eightsch und so. Und am Zoo, du kannst jeden zweiten fragen, der an der Nadel hängt, ob er dir ein Päcken verkauft, der verkauft dir ein Päcken, bar auf die Kralle. Ein Päcken, das ist Stoff einfach, den du spritzt. Das ist ein Gramm, das kostet 60 Mark.

Leben auf der Straße

Das ist einfach cool das Leben hier. Du pennst zwar auf der Straße, knallst mal Leute um und so, aber es kommt einfach cool, weil du machst mit den anderen so viel Scheiße. Hier kannst du die Freunde auch als Freunde bezeichnen, wenn du nach Hamburg fährst oder so, das sind nur Freunde, wenn du Kohle hast, hier, das sind wirklich Freunde.

Ich penne mal da, mal da. Ich penne draußen, ich penne überall. Auf dem Bahnhof, mal bei Kumpels oder so. Es kommt immer gerade darauf an, wo man gerade ist. In der U-Bahn von zwei bis vier Uhr pennen, bis der Strom wieder eingeschaltet wird.

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© Text und Gestaltung: Stefan Schneider (zosch@zedat.fu-berlin.de)
Fotos: Karin Powser - Logo: Willly Drucker
Letzte Änderung: 08.12.97