Stefan Schneider - Wohnungslosigkeit und Subjektentwicklung
 

FRANK

Perspektiven

Selbsttötung - Träume - Wunder

Ich bin mittlerweile schon so weit, ich habe mir jetzt eine Spritze gekauft. Ich glaube dann, wenn ich es irgendwann überhaupt nicht mehr schaffe, bevor ich langsam krepiere, drücke ich mir Luft rein und fertig. Das ist total ätzend, auch wenn du hier abends pennst, die Leute gaffen alle so, nach dem Motto: "Guck dir den Asi an." Nur daß du mal echt auch mal rumgelaufen bist, ganz normal deiner Arbeit nachgegangen bist, was ich ja echt gerne machen würde. Ich würd echt gerne arbeiten gehen, eine Wohnung haben, geregeltes Leben haben.

Du hoffst, daß dir irgendwann ein Wunder passiert. Daß irgendeiner auf der Straße, den du anquatscht - "Hast du mal 'ne Mark?" - zu dir sagt: "Du kannst bei mir anfangen zu arbeiten!" Das ist natürlich das Beste, was dir überhaupt passieren kann. Am besten noch einen, der dir noch eine Wohnung gibt, aber das ist ein Traum. Das ist ein Traum. Für mich ist erstmal wichtig, daß ich wieder eine Wohnung habe, daß ich weiß, gut, da kannst du hin, da kannst du auspennen. Ich hoffe, daß ich irgendwann wieder Arbeit kriege. Ich bin einer, der arbeitet gerne. Und alles was ich will ist eine Arbeit, eine Wohnung und ein geregeltes Leben wieder haben. Mehr will ich gar nicht. Also wieder echt auf einen ganz normalen Weg zu leben. Und irgendwo - ich hoffe, daß ein Wunder passiert, daß ich wieder ein normales Leben führen kann. Und das ist eigentlich alles, was ich noch will.

Bei einer Versicherung hätte ich mit Sicherheit Chancen, aber Versicherung will ich nicht machen. Weil bei Versicherungen habe ich versucht, mich immer fern zu halten, weil ich find die irgendwo korrupt. Also Leuten Versicherungen zu verkaufen, da habe ich keinen Bock drauf. Zum Beispiel, wenn ich mir die Elektrik angucke oder so: Also, ich müßte erstmal eine Umschulung machen, um überhaupt hier meinen Beruf auzuüben, den ich drüben gemacht habe. Weil, die arbeiten ganz anders, die haben ganz andere Bestimmungen. Und das, was wir drüben gemacht haben, dürfen wir hier gar nicht machen. Naja, ich meine, die Umschulung hat ja auch nicht viel gebracht, ich bin jetzt auch arbeitslos. Und wäre ich bei meinem alten Beruf geblieben, dann hätten wir meine alte Wohnung behalten, und dann hätte ich jetzt auch keinen Job, und meine Firma existiert heute schon gar nicht mehr. Das einzige, was ich wollte, war in Ruhe leben. Ich weiß gar nicht, was ich falsch gemacht habe. Verstehst du, das Schlimme ist, es kommt immer alles auf einmal.

Ich habe also auch schon überlegt, ob ich jetzt ganz in den Westen reinziehen soll oder so, weil viele, die vom Westen hierherkommen, sagen, in Frankfurt zum Beispiel wäre das gut oder in Hamburg. Da unten hättest du also gute Überlebenschancen. Das ist ja eigentlich das, was du willst, einfach nur überleben erstmal.

ENDE

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© Text und Gestaltung: Stefan Schneider (zosch@zedat.fu-berlin.de)
Fotos: Karin Powser - Logo: Willly Drucker
Letzte Änderung: 08.12.97