Stefan Schneider - Wohnungslosigkeit und Subjektentwicklung
 

DIETER

Lebenslage

Platte erwischen

Gestern abend bin ich ja rausgefahren. Ich versuche immer meistens so optimal eine Platte zu erwischen in der S-Bahn. Letztens halt öfter in Straußberg-Nord, mit dem letzten oder vorletzten Zug immer hin, um dort auch halbwegs auszuschlafen zu können. Dann schon zehn vor fünf ist es so, daß wir wieder hoch müssen und rübergehen in den nächsten. Aber so richtig ausgeschlafen bin ich immer noch nicht, erst im Sommer kann man halbwegs vernünftig ausschlafen da. Weil du auch manchmal ziemlich voll durchpennen konntest.

Notübernachtungen - Auseinandersetzungen

Ich meine, ich finde es nicht gut, wenn ich einen Zwang habe. Zum Beispiel Notübernachtung. Da ist mir zu sehr persönlicher Zwang zum Beispiel. Du mußt um 19 Uhr schon drin sein. Da hängst du dann rum und so weiter, irgendwie sehe ich darin auch gewissermaßen eine Bevormundung. Das ist manchmal so ziemlich extrem da so, ich bin dann der einzige Nüchterne unter 99 Besoffenen, so komme ich mir manchmal vor. Vor allem auch bist du gezwungen wach zu bleiben und dann, am schlimmsten ist, wenn ich dann so früh um sieben wieder raus muß. - Hier[2] hast du irgendwie, da kannst du ein bißchen mehr machen, hier kannst du Schach spielen und so weiter, Zeitung lesen oder Karten spielen. Kannst du auch am meisten mit den Leuten quatschen, die du hier dann auch etwas näher kennst dann auch.Naja, das geht einigermaßen ohne Brille.[3] Das geht. Das war mir Ostkreuz passiert gewesen. Da waren so zwei Halbwüchsige, ich weiß auch nicht warum, und die haben mich da belegt als Penner und Kippen aufheben und so weiter.


"Und über die Wochen dann auch reingerutscht"

Irgendwie ist mir der Kragen geplatzt und eine Auseinandersetzung gehabt. Und die Brille ist dann natürlich da runtergefallen, da habe ich auch eins auf die Nase gekriegt. Das sieht man noch. Aber meistens sind es nicht nur hier die Kriminellen hier, sondern es sind auch manchmal die Bahnhofsbullen, die da an einem richtig Maß nehmen wollen. Ist mir auch schon passiert.

Meldeadresse - Behörden

Erstmal mit Meldeadresse, das ist ein bißchen schwierig überhaupt. Ich kenne keinen, der mir eine machen kann. Hier[4] machen sie nicht, grundsätzlich nicht, weil das irgendwann zu weit gehen würde, meistens nur für das Küchenpersonal, die dort arbeiten, das ist auch verständlich, wo auch der Zusammenhalt da ein bißchen mehr da ist. Andere können das nicht machen, weil die wollen auch ihr eigenes Leben führen dann auch. Die sind froh, die Vergangenheit hinter sich zu haben.

Teilweise Schiß vor den Behörden, weil ich auch hier selber die Erfahrung gemacht habe da, daß da echt groß nichts los ist. Und dann auf dem Arbeitsamt gewesen, und da haben sie mir nur einen Zettel in die Hand gedrückt und gesagt: "Müssen Sie dort abgeben in S.Stadt!" Und ich hatte kein Geld gehabt, und da hatte ich die Schnauze voll und ließ alles sein. Das war damals am Anfang vom Jahr, wo ich das versucht habe, als ich hier wieder nach Berlin gekommen bin. Andererseits, das ist auch schon eine Frage der Gewohnheit. Eine Gewohnheitsfrage. Oder wie in der Wärmestube hier: Das ist da, und das ist sicher irgendwie.

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© Text und Gestaltung: Stefan Schneider (zosch@zedat.fu-berlin.de)
Fotos: Karin Powser - Logo: Willly Drucker
Letzte Änderung: 08.12.97