Stefan Schneider - Wohnungslosigkeit und Subjektentwicklung
 

HANS

Lebenslage

Pension

Ich habe eine Adresse, ich kann mich sauber halten, ich kann mir mein Essen kochen, ich kann schlafen gehen, wann ich will, ich kann weggehen, wann ich will, ich kann nach Hause kommen, wann ich will, ich bin niemals eingeschränkt. Ja, ich bin ein freier Mensch. Auch weil ich eine polizeiliche Aufenthaltserlaubnis habe, und das ist das A und O heutzutage. Wir sind drei in einem Raum. Wir haben nur Einzelbetten drin. Und wenn man nun schon ein bißchen länger zusammen wohnt, dann lernt man sich kennen und alles und keiner beklaut den anderen, kannst deinen Schrank offen stehen lassen, kannst rein- und rausgehen, wie du willst, du brauchst keine Angst haben. Jeder hat sein Geld und jeder hat seine Sachen für sich. Wenn wir alle drei weg sind, wird abgeschlossen, und dann kommt kein anderer rein.

Also unser Raum ist so ziemlich ruhig. Wir haben so bis um zehn Uhr abends Fernsehen an, weil immer einer ABM macht, und weil ich so ein bißchen nebenbei auch immer noch einen Job suchen tue und sowas. Und da nehmen wir Rücksicht drauf. Wer ABM macht, muß morgens früh um halb fünf aufstehen, er kann doch nicht bis Mitternacht Fernsehen gucken, das geht nicht. Ich meine, am Wochenende trinken wir alle unser Bier und unser Schnäpschen und gucken Fernsehen bis nach Mitternacht, weil wir uns sonntags ja ausschlafen können. Und es ja keinem was ausmacht. Bloß in der Woche um zehn Uhr, da ist bei uns immer zappenduster. Wir drei sind ja nun mal so, wir schmeißen immer Geld in einen Pott rein für Trinken, also Kaffee, richtig Essen und so. Und wer nicht arbeiten geht, der kocht dann für die anderen zwei mit. So machen wir das. Und beklauen tun wir uns überhaupt nicht. Freunde sind wir nicht, aber Kumpel kannst du sagen. Einer hilft dem anderen mal, wenn dann einer sagt: "Du, hast du mal 'nen Zehner da bis Freitag?" oder: "... mal ein Pfund da bis Montag oder Dienstag, bis ich mit dem Sozi oder vom Arbeitsamt mein Geld kriege?" - Dann hilft einer dem anderen.

Das ist ein richtiges Mietverhältnis. Wir haben einen sogenannten Untermietvertrag. Das ist ja alles geregelt und alles hygienisch sauber. Das wird jeden Tag hygienisch sauber gemacht. Das machen wir selber. Und wir halten die Duschen richtig sauber, die Badewanne, die Küche, da ist der Herd drinne. Alles tiptop sauber. Denn es kommt ja mitunter auch das Gewerbeaufsichtsamt, die nach der Gründlichkeit, der Reinheit gucken. Daß keine Wanzen, Läuse, Kakerlaken und so rumlaufen, und natürlich in den Schlafräumen. Und ob der Raum vielleicht überbelegt ist, oder ob genau abgepaßt wird.

Die Häuser stehen auf Pacht. Und die Pacht läuft aus. Und derjenige, der die Häuser verpachtet hat, durchs Sozi und alles, der will daraus eine kleine Fabrik machen. Da hatten sie eine Computerfabrik angemeldet, die da gerne einziehen will, und die Räumlichkeiten dann eben braucht. Wir kämpfen jetzt darum, wir möchten da drin bleiben. Wo sollen wir denn sonst hin jetzt im Augenblick? Die, die die Häuser gepachtet haben, die haben doch keine anderen Häuser angemietet oder irgendwie, weil keine leerstehenden Häuser im Augenblick in diesem Ausmaße vorhanden sind. Das ist ein Unternehmer auch. Er hat auch seine Geschäfte, wollen wir mal so rum sagen, das ist nur eins von den vielen. Naja, er hat noch ein paar andere Häuser so zu stehen und so, aber bloß er will da eben, der hat da wohl zur Hälfte erstmal dieser Computerindustrie da oder was es da ist, erstmal die Hälfte zugesagt, ja. Er will sich's ja auch noch überlegen. Wo sollen wir sonst bei der Kälte hin? Ich will ja nicht draußen auf der Parkbank schlafen.

Wir reden ja in Ruhe. Wo sollen wir bei der Kälte jetzt hin? Wo sollen wir unsere Klamotten jetzt lassen? Ja, und dann, ob er nicht, er hat ja noch auf der anderen Seite ein Haus, das steht leer. Entweder, daß wir das Haus anmieten könnten und daß wir da einziehen könnten, oder daß wir in dem Haus drin bleiben könnten und die Computerfirma vielleicht das andere Haus nehmen tut. Da sind vier Etagen, und hier sind's nur drei Etagen. Ja, und wenn da eine Etage leersteht, ich glaube, daß so 'ne Computerfirma auch die vierte Etage nutzungsmäßig belegen kann mit irgendwelchen Arbeiten.

Ja, weil die haben da ein Haus angemietet. Damals habe ich das mal angeguckt. Und da sollten wir mit sechs Mann auf einen Raum gehen. Und da habe ich gesagt: "Nein, danke!" Aber wir drei wollen gerne versuchen, zusammen zu bleiben, ja. Weil wir wohnen schon etliche Jahre - kann man ja sagen, ruhig - zusammen, und wir wollen gern zusammen bleiben. Daß wir also eine Gemeinschaft für uns alleine sind. Und wenn wir jetzt noch drei andere dazukriegen, dann wissen wir wieder nicht, was das wieder für Konsorten sind. Da kann einer drunter sein, der die anderen beklauen tut.

Behörden

Dieses Jahr muß ich einen Antrag abgeben für Garderobe. Ob Winter oder Sommer spielt keine Geige, aber ich muß einen Antrag abgeben. Naja, ich werd' einen schreiben und dann ihn hinbringen. Aber, wann ich das will. Weil, ich habe das noch nie gemacht. Also, ich habe mich auch gar nicht mit dieser Scheiße befaßt vor allen Dingen, mit Klamotten und allem diesem ganzen Ramsch, was es da gibt beim Sozi. Aber ich will damit eigentlich nichts zu tun haben, verstehst du? Das geht mir auf den Geist.

Wenn dir so eine Sachbearbeiterin, die sind ja nun in dem Glauben, daß die sind intelligenter wie du, ja. Weil: "Ich darf immer arbeiten, als Sozialbearbeiter, und du darfst nicht arbeiten! Warum darfst du denn nicht arbeiten?" - Warum darf der denn arbeiten, ja? Und das ist mein Kompromiß. Warum darf er arbeiten und darf ich nicht arbeiten? Warum muß ich hierhin gehen, und er braucht nicht aufs Arbeitsamt oder sonstwohin latschen, um sich arbeitslos zu melden, ja? - Weil die sich einbilden, sie sind etwas besseres wie wir es sind. Guck mal, so hast du dein Einkommen, da brauchst du kein 'Bitte-Bitte' machen. Dafür hast du gearbeitet, dafür kriegst du deinen Lohn, und mit deinem Lohn mußt du dann, was du an Einkommen hast, mußt du dein Auskommen haben. Wie du dir das Geld einteilst, ist dir allein überlassen, das ist alles dabei.

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© Text und Gestaltung: Stefan Schneider (zosch@zedat.fu-berlin.de)
Fotos: Karin Powser - Logo: Willly Drucker
Letzte Änderung: 08.12.97